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Die Graefin der Woelfe

Die Graefin der Woelfe

Titel: Die Graefin der Woelfe
Autoren: Isabella Falk
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erwachte, zupfte an seiner Mütze und nickte.
    »Diesmal kommst du mit in meine Wohnung und erzählst mir in Ruhe, um was es geht. Ich nehme ja nicht an, dass du eine Hebamme brauchst?«
    »Nein, Lucia und ich sind alt geworden und fünf Kinder genügen.«
    Gemeinsam kletterten sie die Stiegen zu Margeths Kammer hinauf, den tadelnden Blick der Hauswirtin im Nacken. Herrenbesuch war nicht erlaubt, aber so einer ehrenwerten alten Dame, wie Margeth sie nun einmal war, konnte er auch nicht verboten werden.
    Bei einem guten Bier begann Jelko zu erzählen. Davon, wie sie in Wien lebten, er und Lucia, ihre Kinder und Marijke. Durch der Gräfin Großzügigkeit und Marijkes Geschäftstüchtigkeit hatte er sich bald einen eigenen Fiaker leisten können. Die Zofe verdiente bis an ihr Lebensende an jeder Fahrt, die er damit unternahm, mit. Im Gegenzug zahlte sie Lucia, die sie als Dienstmagd eingestellt hatte, einen gerechten Lohn. Es ging ihnen also gut, die Kinder besuchten die besten Schulen und der Älteste, Jelko, machte eine Ausbildung zum Schornsteinfeger. Marijke war vor zwei Wochen an einer kurzen, aber heftigen Krankheit gestorben. Deshalb war er hier. Die Zofe hatte nicht mehr alle ihre Angelegenheiten selbst regeln können. Jelko nestelte an seiner Tasche herum und überreichte Margeth zwei Briefe.
    Sie erkannte die Handschrift der Gräfin sofort. Ihre Augen füllten sich mit Tränen. Statt zu weinen, öffnete sie Marijkes Schreiben. Die Zofe bat darum, dass Margeth an Elenas zwanzigstem Geburtstag in Krumau sein solle, um ihr den Brief ihrer Mutter zu überreichen.
    »Woher wusste sie, wo sie mich findet?«
    Jelko grinste. »Sie wusste außerordentlich viel, Jungfer Margeth. Sie wusste auch, dass Ihr die Komtess ein paar Mal besucht habt und sie hat nicht Ruhe gegeben, ehe sie nicht erfahren hatte, wo Ihr wohnt.«
    »Wusste sie auch, was nach ihrem Tod in Zwinzau geschehen war?«
    Jelko schüttelte den Kopf. »Keiner von uns war je wieder dort.«
    »Das ist gut so. Auch ich werde das Dorf nie wieder betreten.«
    Den restlichen Abend verbrachten sie, um die Hauswirtin nicht weiter zu beunruhigen, im Biedermeierstübchen. Sie ließen sich das gute Essen und noch besseres Bier schmecken. Viele Geschichten wurden erzählt, alte und neue, ehe Jelko sich von Margeth verabschiedete. Bereits am nächsten Tag wollte er die Rückfahrt nach Wien antreten, er hatte es eilig, denn in den nächsten Tagen erwartete er sein erstes Enkelkind.
     
    *
     
    Endlich war der große Tag gekommen, doch gerade heute schien niemand von den guten Geistern ihres Lebens in der Nähe zu sein. Wütend stand Elena mit ihrer gepackten Reisetasche auf der falschen Seite der Klostermauer. Sie stand noch immer innerhalb der Mauern und das, obwohl sie seit diesem Tag zwanzig Jahre alt war und das Kloster von Rechts wegen verlassen durfte. Aber wo sollte sie hin? Die liebe, gute Marijke war nicht mehr, war einfach gestorben, wie so viele vor ihr gestorben waren, ohne die versprochene Wahrheit gebracht zu haben.
    Auch die Stimme von Schwester Resa, der Trost ihrer Kindheit, war still geworden. Der zottige Hofhund und der alte Paul hatten diese Welt schon vor Jahren verlassen.
    Elena fühlte sich allein, zum ersten Mal in ihrem Leben vollständig von allen guten Geistern verlassen. Am frühen Morgen hatte sie sich von den Schwestern und Pater Johannes verabschiedet. Jetzt stand sie hier und wartete auf jemanden, der nicht mehr kommen würde.
    Elena spürte, wie ihr Tränen der Wut in die Augen stiegen. Von Rechts wegen war sie mit dem heutigen Tag eine wohlhabende, freie Frau. Sie hatte allen Besitz ihrer Eltern geerbt und durfte über diesen frei verfügen. Das hatte ihr Marijke bei jedem ihrer Besuche eingeschärft, und dass sie einen Brief für sie habe, einen Brief von ihrer Mutter. Elena schluckte. Würde sie diesen Brief jemals in den Händen halten? Jetzt, wo die treue Zofe tot war. Das Weinen bekam eine andere Färbung, die Wut wich und was übrig blieb, war eine tiefe, verlorene Trauer.
    Erst jetzt fiel Elena die kleine Kutsche auf, die schon seit Längerem vom Horizont her schnurstracks auf das Kloster zuhielt. Es war nicht der übliche Fiaker, mit dem Marijke gebracht worden war. Dies hier war eine Kutsche für Selbstfahrer. Sie hatte vor vielen Jahren Besuch bekommen, der in einer solchen Kutsche angereist war. Es war eine große Frau mit roten Haaren gewesen.
    Elena schloss die Augen, ließ das Bild der Frau in ihrem Inneren aufsteigen. Sie
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