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Die Grabstein-Clique

Die Grabstein-Clique

Titel: Die Grabstein-Clique
Autoren: Jason Dark
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plötzlich der Schatten. Aus dem Nichts war er gekommen, und Clara hörte in ihrem Kopf eine Stimme, deren Worte einen Befehl formulierten.
    ›Tu es! Und tue es jetzt!‹
    Dann stand sie vor dem Schreibtisch. Sie brauchte nur den Arm auszustrecken, um die Schere zu erreichen. ›Tue es!‹ Clara tat es. Es wurde ihr gar nicht richtig bewußt. Sie handelte wie unter Zwang.
    Die Oberin hatte den Deckel endlich von der Dose abheben können. In ihr befand sich auch der kleine Löffel. Er steckte wie ein Speer im braunen Kaffee.
    Die Frau wußte genau, wie viele Löffel sie abmessen mußte und konzentrierte sich auf das Zählen.
    Clara Montero aber konzentrierte sich auf sie. Und sie hielt jetzt die Schere fest. Ihre beiden Schenkel klemmten dicht zusammen, bildeten eine Linie.
    Vor sich sah die den runden Rücken der Oberin, weil die Frau gebückt vor der Maschine stand. Er bot ein sehr gutes Ziel, und über die Lippen der Nonne glitt ein böses Lächeln.
    Wieder erschien der Schatten.
    Er huschte über den Rücken der Oberin hinweg, ohne daß er von ihr bemerkt wurde. Aber Clara sah ihn. Er gab ihr das Ziel vor. Noch ein Schritt nach vorn, sie blieb stehen, holte tief Luft, hob den rechten Arm.
    Dann stieß sie zu. Ihr Gesicht verzerrte sich dabei. Man konnte nicht sagen, ob sie lächelte, oder ob sie die schreckliche Bluttat anwiderte. Die Schere ließ sie im Rücken der Oberin stecken, atmete tief durch und bewegte sich plötzlich sehr schnell.
    Obwohl sie zuvor keinen Plan gebastelt hatte, wußte sie genau, was sie zu tun hatte.
    Auf leisen Sohlen verließ sie das Zimmer und lief zurück in ihre Zelle. Dort packte sie das Nötigste zusammen.
    Während die anderen Nonnen gemeinsam frühstückten, verließ Clara ungesehen das Kloster. Erst jetzt fühlte sie sich befreit…
    ***
    »Sie können jetzt gehen, Henry, ich brauche Sie heute nicht mehr«, sagte Lady Anne Forrester und lächelte kantig.
    »Sehr wohl«, flüsterte der Butler und zog sich zurück.
    »Du bist aber großzügig«, sagte die zweite Frau, eine ältere Dame, die ein cremefarbenes Kostüm trug und von Lady Anne zum Tee eingeladen worden war.
    »Er soll sich auch mal einen freien Abend machen.«
    »Und? Nimmt er ihn wahr?«
    »Kaum.«
    »Dann bleibt er im Haus?«
    Lady Anne Forrester nahm wieder Platz. Sie schaute über den schmalen Tisch hinweg, an dessen anderem Ende ihre Freundin saß. Zwischen ihnen standen der Tee, die Tassen und befand sich auch die Schale mit dem Gebäck. »Ja, er bleibt im Haus. Wenn es dringend wird, ist er immer zur Stelle. Keine Sorge.«
    »Was heißt Sorge? Ich fand es nur etwas witzig.«
    Anne Forrester schloß die Augen. Sie konnte die Stimme ihrer Besucherin nicht mehr ertragen. Okay, sie kannten sich schon lange, auch wenn Anne über dreißig Jahre jünger war, aber dieser nörgelige Tonfall schlug ihr allmählich auf das Gemüt. Margret war mit sich und der Welt unzufrieden, denn ihr Leben lief stets nach denselben Riten ab. Jeden Tag ein ›five-o-clock-Tea‹, das hielt keine aus. Da erstickte man in Konventionen. Als sie die Freundin wieder anschaute, zuckten plötzlich Schatten über den Tisch.
    Wieder einmal, und Anne zwinkerte. Sie hatte die Schatten schon beim Aufstehen gesehen und gespürt, daß mit ihr eine Veränderung eingetreten war.
    Sie haßte plötzlich. Ja, sie konnte hassen, obwohl man ihr äußerlich nichts ansah. Da blieb sie gelassen, das blaß geschminkte und schöne Gesicht unbewegt. Sie hatte sich die schwarzen Haare zu Locken drehen lassen, die wie ein gewellter Vorhang am Nacken herab bis auf ihre Schultern sanken.
    An diesem Tag trug sie ein blaues Kleid, dessen Rock weit schwang und modern geschnitten war. »Hast du was?« fragte Margret.
    »Nein, warum sollte ich?«
    »Du bist so anders.«
    »Unsinn, Margret, das bildest du dir ein.«
    Sie schüttelte den Kopf, wobei ihre geschminkte, faltige Gesichtshaut ebenfalls in Bewegung geriet. »Nein, ich spüre es genau«, sagte sie schmallippig. Sie trank den Tee hastig und verzog dabei das Gesicht.
    »Es ist einfach nicht mehr so, wie es einmal war, verstehst du das? Es ist anders.«
    »Wie denn?«
    Sie setzte die Tasse ab, hielt sie aber noch mit der linken Hand umklammert. Ihre Finger waren lang und dünn. Die Haut zeigte eine weiße Farbe. Die Nägel schillerten in einem zu knalligen Rot, und Anne Forrester kräuselte bei diesem Anblick ihre Lippen zu einem verächtlich wirkenden Lächeln.
    Margret war für sie nichts anderes als eine alte Hexe,
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