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Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 02 - Die Gesellenjahre der Glasmalerin
Autoren: Mindy L. Klasky
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er den Kopf wandte, wie er den Ledergurt zurückzog, den er zwischen den Zähnen hielt. Rani konnte im heiklen Licht des frühen Morgens den schwarzen Pfeilregen ausmachen, der unter den graubraunen, nachtfalterähnlichen Flügeln ausgelöst wurde.
    Als die erste Runde abgeschossen war, stieg das Fluggerät wieder höher, von seinem Gewicht befreit. Viele der stählernen Pfeilspitzen fanden ihr Ziel. Männer schrien vor Schmerz, laut genug, um auf der darunterliegenden Ebene gehört zu werden. Rani sah einen Wächter vom Tor stürzen, rückwärts fallen und auf dem harten Boden außerhalb der Stadt aufprallen.
    Monny schwebte erneut herein, hielt für einen neuerlichen Angriff auf den Ostturm zu. Rani stellte sich vor, dass einige der Männer in Deckung gegangen sein mussten, aber Monny löste eine weitere Pfeilsalve aus.
    Nun jubelten Männer im morenianischen Lager, riefen Halaravillis Namen, während das Fluggerät seine Verwüstung anrichtete. Monny schien von jenen Rufen emporgetragen zu werden. Mit mächtigen Schlägen bewegte er die Flügel. Er stieg höher, segelte über die Tore, schwebte dann über dem Westturm. Ein Schlag. Zwei. Rani stellte sich vor, dass der Junge zu ermüden begann. Sogar Monny musste irgendwann der Erschöpfung nachgeben. Sie stellte sich vor, wie er ein letztes Mal an dem Ledergurt zog, den Kopf drehte, um eine letzte Pfeilsalve auszulösen.
    Da! Ein letzter tödlicher Regen fiel auf den Turm. Ein Wächter schrie auf, als er getroffen wurde und dann halb in einer Schießscharte, halb seitlich des Turmes hing. Das morenianische Heer brach in eine weitere Jubelrunde aus. Nun waren alle Soldaten wach und schlugen mit den Schwertern gegen ihre Schilde. Fußsoldaten, die nur Langspeere besaßen, stampften mit ihren Waffen auf den Boden und riefen den Sieg aus, während die Sonne den Himmel zu voller, blutroter Dämmerung färbte.
    »MON!«, schrie Mair über den Tumult hinweg, und Rani hörte den panischen Unterton, die jähe, scharfe Verzweiflung.
    Als Rani zu den Stadtmauern zurückblickte, hatte sie das Gefühl, als wäre ein Leben vergangen. Eine Gestalt stand auf dem Westturm, hob sich schwarz vor der blutroten Dämmerung ab. Rani konnte einen Bogen ausmachen, der sich vor dem hellen Himmel wölbte.
    Einen schrecklichen Moment lang erinnerte sich Rani eines anderen Bogens, erinnerte sich an die Zeit, als sie noch ein naiver Lehrling war, der zum Werk ihrer Gilde in der Kathedrale hinaufblickte. Damals hatte ein Bogen Unheil gebracht, hatte Mord und Verrat und die Vernichtung ihrer Familie bedeutet.
    Elend und verzweifelt wandte sich Rani zu Hal um und sah, dass der König die Szene durch sein Fernglas beobachtete. Ohne nachzudenken, riss sie ihm das Glas aus den Händen, hob es an ihre Augen. Das Gebet, das sie gerade hatte flüstern wollen, blieb ihr in der Kehle stecken.
    Der Bogenschütze war Al-Marai. Sin Hazars Löwenbruder.
    Monny musste die Bedrohung auch erkannt haben. Der Junge bewegte die Flügel kräftiger als zuvor, zwang das Gerät aufwärts. Seine Füße bewegten sich vor und zurück, aber irgendwie hatte er seinen Rhythmus verloren, die sorgfältige Balance verloren, die ihn vorwärts brachte. Rani sah Panik Monnys sommersprossiges Gesicht überziehen, und sie merkte, wie sie den Atem anhielt. »Höher. Höher.«
    Denn während Monny darum rang, das Fluggerät zu kontrollieren, legte Al-Marai einen Pfeil in seinen Bogen ein. Der Krieger zielte an dem Schaft vorbei, während Rani versuchte, die Linie des Pfeiles zu verfolgen, aber ihre Sicht verschwamm. Sie schüttelte fluchend das Fernglas und hielt es dann wieder an ihre Augen. Das Ende des Pfeils war noch verschwommen, zitterte in der Dämmerung.
    Rani brauchte einen weiteren Moment, um wirklich zu erkennen, was sie erblickte. Al-Marais Pfeil brannte. Die Flamme loderte vor dem Morgenhimmel.
    Während Rani hinsah, richtete der Löwe den Pfeil noch etwas genauer aus. Er zog die Bogensehne bis an sein Ohr, hielt sie einen Moment fest und schoss den brennenden Pfeil dann ab.
    Der Pfeil traf. Monny hielt die Arme über die Schultern gestreckt, die Flügel des Nachtfalters waren an ihrem höchsten Punkt. Der Pfeil traf ein kritisches Gelenk im Aufwindflügel, entzündete einen Teil des verklebten Rahmens. Orangefarbene Flammen sprangen von dem Klebstoff auf, über die gestreckte Membrane hinweg und entflammten die getrockneten Weidenbänder. Während Rani entsetzt aufschrie, raste das Feuer an Monnys Rücken vorbei und
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