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Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin

Titel: Die Gilden von Morenia 01 - Die Lehrjahre der Glasmalerin
Autoren: Mindy L. Klasky
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Kerzen ignorieren, aber den letzten Altar am Ende des düsteren Ganges durfte sie nicht unbeachtet lassen. Dies war der einsame Ort im Gildehaus, an dem Rani seit ihrer turbulenten Ankunft die meiste Zeit verbracht hatte. Der Altar selbst war aus einem massiven Steinblock gestaltet, und in seine Vorderseite waren dunkle Rauchglaskacheln eingelegt. Der Altar war der Gottheit geweiht, die Rani fast völlig fremd war – Sorn, dem Gott des Gehorsams. Es war Brauch, dass ein Lehrling, der vor die Züchtigungshalle gerufen wurde, aufgefordert wurde, sich vor Sorn hinzuknien und um Vergebung zu bitten, bevor die Bestrafung vom Zuchtmeister der Gilde zugemessen werden konnte.
    Sorn war ein harter Gebieter, wie Rani nur allzu oft erfahren hatte. Am Fuß seines Altars war ein Kniestuhl eingearbeitet, vorgeblich um Bittstellern, die göttliche Führung suchten, mehr Bequemlichkeit zu gewähren. Rani wusste jedoch, dass der Kniestuhl nur ein weiterer Bestandteil des Handwerks des Zuchtmeisters war, denn in seine hölzerne Oberfläche waren die Werkzeuge des Glasmalergewerbes eingeprägt – Schneideeisen und Bleiruten, Zangen und rechteckige Glasplatten. Es war unmöglich, auf dieser schmalen Bank zu knien, ohne dass die scharfkantigen Bilder auf die zarten Knie übertragen wurden.
    Dennoch konnte sich Rani der Züchtigungshalle nicht ohne zumindest ein Zeichen des Gehorsams nähern. Die erste Handlung des Zuchtmeisters bestand üblicherweise darin, die Knie eines Bittstellers zu überprüfen. Wenn Rani keine sichtbaren Zeichen ihrer Anbetung trug, würde sie nur zurückgeschickt, bis sie gebrandmarkt war. Rani ließ sich seufzend auf dem vertrauten Kniestuhl nieder.
    Es hätte sie nicht überraschen sollen, dass sie eine geheime Unterhaltung in der Züchtigungshalle belauschen konnte. Der Altar war immerhin bewusst so platziert worden, dass ein Lehrling die Belehrung eines anderen bezeugen und somit durch die vorgestellte Strafe noch größere Disziplin aufbringen konnte. Rani war viele Male nach ihrer eigenen Belehrung durch die Hände des Zuchtmeisters hier herausgekommen, nur um der bleichen Miene eines anderen Lehrlings zu begegnen, der ängstlich von Sorns Altar aufsah.
    Aber als Rani erkannte, dass eine der Stimmen zu Gildemeisterin Salina gehörte, hielt sie den Atem an, um die gezischelten Worte besser verstehen zu können.
    »Natürlich ist es nicht so verlaufen, wie wir wollten!«
    Rani konnte die Antwort der anderen Person nicht verstehen, aber es war eine polternde Stimme, der Klangfarbe nach die eines Mannes.
    »Wir wussten, dass ein Risiko bestand, wenn wir unser Gerüst benutzten«, beharrte Salina, »aber wir hatten nie die Absicht, Aufmerksamkeit auf einen Glasmaler mitten im Komplott zu ziehen. Da dieses Balg aufgeschrien hat, wird uns keine der Wachen mehr als unschuldige Opfer ansehen. Die Glasmaler werden gewiss die ersten Verdächtigen sein. Der einzige Grund, warum bis jetzt noch niemand erschienen ist, ist der, dass sie zuerst Truppen zusammenziehen müssen.«
    Poltern.
    »Nein, wir müssen die Karten annehmen, die uns die Götter zugeteilt haben. Es war Pech und offenkundiger Ungehorsam, der diese Händlerratte in die Kathedrale geführt hat. Sie ist ein Dorn in meiner Haut, seit ich das Geld ihrer Familie annahm – ich hätte sie niemals in der Nähe behalten dürfen. Sie ist zu stark, um sich zum Nutzen der Gilde zu beugen. Sie ist eigensinnig genug, dass sie eher brechen wird, nur um zu zeigen, wen sie für die Herrin hält.«
    Rani war so empört, dass sie beinahe in die Halle gestürmt wäre. Nur das Poltern des nicht zu verstehenden Sprechers brachte sie zum Schweigen, sein Poltern und die eiskalten Finger, die sich bei Salinas abfälligem Ton um ihr Herz schlossen.
    »Verdammt sei die Vereinbarung. Sie hat vielleicht viel versprechendes Talent bei Mustern gezeigt, aber sie bereitet mehr Schwierigkeiten, als sie wert ist. Das gilt bei diesen Händlerbälgern fast immer. Nun, die Soldaten werden sie bestimmt suchen – ihr Gildeabzeichen war klar zu erkennen, auch wenn niemand ihren Namen kennt. Ich habe es selbst gesehen, an dem Umhang, den sie an der Seitentür der Kathedrale zurückgelassen hat. Ich habe den Bruder Torhüter angewiesen, sie nicht hereinzulassen – zumindest werden wir so behaupten können, dass wir nicht wissen, wo sie ist.«
    Ranis knochige Knie schmerzten, und Tränen brannten in ihren Augen. Gildemeisterin Salina sollte die Rolle ihrer Mutter einnehmen. Die Frau hatte
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