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Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)

Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)

Titel: Die Geliebte des Sonnenkönigs (German Edition)
Autoren: Dora Duncker
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zurückzubringen.
    Glückstrahlend über ihren Sieg, kam Henriette um Ende Juni in Saint-Cloud an, wo der Hof sie erwartete. Ihre junge sechsundzwanzigjährige Schönheit strahlte vor Entzücken, durch diesen Erfolg einen Teil der Fehler wieder gutgemacht zu haben, die sie in der Leidenschaft ihrer ersten Jugend begangen hatte, dem Königshaus, dem sie so nahe verwandt war, Vorteile zugebracht zu haben, die der König aufs Höchste schätzte.
    Sie fühlte sich auf dem Gipfel eines so reinen Glückes, wie ihre erste Jugend es nicht gekannt hatte. Alle Schlacken waren von ihr abgefallen, sie selbst hatte erst jetzt, vor die Möglichkeit einer Betätigung ihrer aktiven Natur gestellt, den edleren Kern ihres Wesens erkannt.
    Durch eine volle Woche war Henriette von England der Mittelpunkt der Ereignisse und der Huldigungen in Saint-Cloud. Nur Monsieur hielt sich fern, Monsieur, der kein Talent zum Vergessen und Vergeben hatte, obwohl sein Gewissen in Bezug auf seine ehelichen Pflichten wahrlich kein reines war.
    Diese Sommertage in Saint-Cloud waren so gleichmäßig schön, heiß und heiter, wie sie es neun Jahre zuvor in Fontainebleau gewesen waren, als Henriettes eifersüchtige Augen des Königs Leidenschaft für „die kleine La Vallière” zuerst entdeckt hatten. Obwohl Henriettes immer zarter gewordener Körper von den Anstrengungen der englischen Reise, den durchwachten Nächten schwer mitgenommen war, ihr Magen schon seit längerer Zeit nicht der zuverlässigste war, nahm die Prinzessin trotz des Verbotes der Ärzte — wann wäre sie je vorsichtig mit ihrer zarten Gesundheit umgegangen! — spät abends kalte Bäder, um nach der Hitze des Tages Erquickung zu finden, unternahm lange Mondscheinspaziergänge nach dem kalten Bad.
    Ihrer Oberhofmeisterin, Madame de la Fayette, fiel das schlechte Aussehen der Prinzessin zuerst auf. Henriette gestand, dass sie Schmerzen in der Seite fühle, und legte sich nach der Messe auf ihre Couchette, um ein wenig zu ruhen.
    Man schrieb den 29. Juni. Gegen fünf Uhr nachmittags befahl sie ein Glas Wasser mit Zichorienpulver gewürzt, das eine ihrer Damen, Madame de Gamaches, ihr reichte. Kaum, dass Henriette ein paar Schluck von dem Wasser genommen, schrie sie laut auf, veränderte die Farbe, wurde blass, beinahe grün im Gesicht.
    Man brachte sie zu Bett, sie wand sich vor Schmerzen. Ihr Leibarzt, Monsieur Esprit, erklärte den Zustand für eine Kolik, aber Henriette lächelte trübe. Sie wusste es besser. Sie fühlte, dass das Ende nahe war, und bat um ihren Beichtvater.
    Dann wandte sie sich zu ihrem Gatten, der an ihrem Lager stand. Sie umarmte und küsste ihn, und mit einer Sanftmut, die das Herz eines Barbaren gerührt hätte, flüsterte sie inmitten ihrer immer zunehmenden Schmerzen: „Ach Monsieur, ich weiß es, Sie lieben mich schon lange nicht mehr. Aber das ist ungerecht! Wenn ich auch gefehlt habe, ein wirkliches Unrecht habe ich nie gegen Sie begangen.”
    Philippes Herz war erweicht. Er schloss sie gerührt in seine Arme. Durfte er richten? War er frei von Schuld?
    Noch in der Umarmung ihres Gatten stieß Henriette einen grässlichen Schrei aus. Ihr Körper wand sich konvulsivisch.
    „Ich bin vergiftet!”, rief sie laut. „Um Gottes willen, Gegengift! Lasst das Glas untersuchen!”
    Während sie schrie und sich in Krämpfen wand, hielt Madame La Fayette ihre Augen mit durchdringender Aufmerksamkeit auf Monsieur gerichtet. Er war vollkommen ruhig. Keine Wimper zuckte in seinem Gesicht. Er nahm das Glas und trank selbst von dem Wasser — er gab seinem Lieblingshund davon zu trinken, er beorderte ein Gegengift, alles gelassen, in tiefer Traurigkeit.
    Während Henriette beichtete, fingen die Kirchenglocken von Saint-Cloud zu läuten an: die Nonnen beteten für die Kranke.
    Nach drei Stunden kamen Vallot und Gueslin. Als Henriette die Ärzte an ihrem Lager sah, vertraute sie ihnen an, dass sie vergiftet sei. Sie untersuchten die Prinzessin und konstatierten keinerlei Gefahr für ihr Leben. Und wieder lächelte Henriette trübe, sie wusste es besser, sie fühlte ihre letzte Stunden nahen.
    Um elf Uhr nachts umstand der Hof ihr Schmerzenslager, alle, die die Tage ihrer Irrungen, ihrer Erniedrigungen und Erhebungen mit ihr gelebt. Der König, die Königin, Mademoiselle de Montpensier, all ihre Damen, die Marquise von Montespan, Louise von La Vallière, Marschall von Grammont, der Vater jenes Mannes, der einstmals so tief mit Henriettes Leidenschaften verknüpft gewesen
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