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Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)

Titel: Die gelben Augen der Krokodile: Roman (German Edition)
Autoren: Katherine Pancol
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pro Woche gegossen werden, und Dünger brauchen sie ein…«
    »Die Pflanzen? Von mir aus sollen sie doch eingehen! Glaubst du wirklich, ich hätte keine anderen Sorgen?«
    »Bitte, Joséphine! Reg dich nicht auf… Ich kann auch bleiben, wenn du willst …«
    Sie bedachte ihn mit einem vernichtenden Blick. Er zuckte mit den Schultern, nahm seinen Koffer und ging zur Tür.
    Da begann sie zu weinen. Sie umklammerte den Rand des Spülbeckens und weinte, weinte, ohne aufzuhören. Ihr Rücken wurde von Schluchzen geschüttelt. Erst weinte sie über die Leere, die dieser Mann in ihrem Leben hinterlassen würde, sechzehn gemeinsame Jahre, ihr erster Mann, ihr einziger Mann, der Vater ihrer beiden Kinder. Dann weinte sie beim Gedanken an die beiden Mädchen. Sie würden sich niemals mehr sicher fühlen, nie wieder die feste Gewissheit haben, dass Papa und Maman da waren und sie beschützten. Schließlich weinte sie vor Angst bei der Vorstellung, in Zukunft ganz allein dazustehen. Antoine kümmerte sich um ihre Konten, Antoine machte die Steuererklärung, Antoine zahlte die Raten für die Wohnung, Antoine entschied, welches Auto sie kauften, Antoine reinigte den verstopften Abfluss unter dem Waschbecken. In solchen Dingen verließ sie sich immer auf ihn. Ihr Bereich waren der Haushalt und die Schulangelegenheiten der Mädchen.
    Das Telefon riss sie aus ihrer Verzweiflung. Sie schniefte, schluckte die Tränen hinunter und hob ab.
    »Bist du das, Liebes?«
    Es war Iris, ihre ältere Schwester. Ihre Stimme klang immer so fröhlich und beschwingt, als verkündete sie gerade die Sonderangebote im Supermarkt. Iris Dupin, vierundvierzig Jahre alt, groß, dunkel, schlank, mit langem schwarzem Haar, das sie wie einen ewigen Brautschleier um ihre Schultern drapierte. Iris, die ihren Vornamen der Farbe der beiden großen, tiefblauen Seen verdankte, die ihr als Augen dienten. Als sie noch klein waren, hatten die Leute sie auf der Straße aufgehalten. »Mein Gott!«, sagten sie immer wieder, während sie sich in dem dunklen, intensiven, violett umrandeten Blick mit dem hauchzarten Goldschimmer spiegelten. »Mein Gott! Das ist doch nicht möglich! Schau doch mal, Schatz! Solche Augen habe ich noch nie gesehen!« Iris ließ sich bewundern, bis sie genug davon hatte, ihre Schwester an der Hand mit sich fortzog und dabei zwischen den Zähnen hindurch zischte: »Leben die hinterm Mond oder was? Die haben wohl noch nie Augen gesehen! Ihr solltet ab und zu mal verreisen, Leute!« Der letzte Satz versetzte Joséphine in einen Freudentaumel, sie breitete die Arme aus wie ein Hubschrauber, drehte sich im Kreis und lachte lauthals los.
    In ihrer Jugend hatte Iris sämtliche Moden begründet, sämtliche Abschlüsse gemacht, sämtliche Männer bezaubert. Iris lebte nicht, Iris atmete nicht, Iris herrschte.
    Mit zwanzig war sie zum Studieren in die USA gegangen. An den Fachbereich Film der New Yorker Columbia University. Nach sechs Jahren hatte sie das Studium gemeinsam mit einem Kommilitonen als Jahrgangsbeste abgeschlossen und dadurch die Möglichkeit erhalten, einen dreißigminütigen Film zu drehen. Jedes Jahr stellte man den beiden besten Absolventen das Budget für einen Film zur Verfügung. Iris war eine davon gewesen. Der zweite Preisträger, ein finsterer, riesenhafter junger Ungar mit struppigem Haar, hatte die Gelegenheit beim Schopf gepackt und sie während der Diplomverleihung hinter der Bühne geküsst. Diese Anekdote war in die Annalen der Familie eingegangen. Iris’ Zukunft prangte in weißen Lettern an den Hügeln von Hollywood. Und eines Tages hatte Iris ohne jede Vorwarnung, ohne dass jemand diese Kehrtwende vorausgesehen hätte, geheiratet. Sie war gerade dreißig geworden, kam aus den USA zurück, wo sie beim Sundance Festival einen Preis gewonnen hatte, und plante
einen Spielfilm, der große Erwartungen weckte. Ein Produzent hatte ihr einen Vertrag angeboten, und Iris … hatte abgelehnt. Ohne jede Erklärung; sie rechtfertigte sich niemals. Sie war nach Frankreich zurückgekehrt und hatte geheiratet.
    Mit weißem Schleier, vor Bürgermeister und Pfarrer. Am Tag ihrer Hochzeit waren alle Plätze im Rathaussaal besetzt. Man musste zusätzliche Stühle herbeischaffen, und trotzdem drängten sich die Neugierigen bis an die Fensterbänke. Alle hielten den Atem an und rechneten im Stillen damit, dass sie sich das Kleid vom Leib reißen und splitternackt rufen würde: »War doch nur ein Spaß!« Wie im Film.
    Doch nichts dergleichen
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