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Die geheimnisvolle Tuer

Die geheimnisvolle Tuer

Titel: Die geheimnisvolle Tuer
Autoren: Manfred Mai
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beschützt, muss er heute mal wieder die Treppe nehmen, obwohl er spät dran ist.
    Im sechsten Stock steht Daniel vor dem Aufzug. Er ist schon vierzehn, spielt sich vor Jüngeren gern auf und erzählt ihnen Schauergeschichten. Alexander mag ihnnicht und geht ihm wenn möglich aus dem Weg.
    Daniel hält Alexander am Arm fest. »He, warum läufst du denn die Treppe runter und fährst nicht mit dem Aufzug?«
    »Ich   … äh   … ich laufe gern.«
    In diesem Augenblick öffnet sich die Aufzugtür. Die beiden riechen sofort den Zigarrengestank.
    »Der dicke Brackmann ist schon unten«, sagt Daniel. »Du brauchst also keine Angst mehr zu haben.« Er zieht Alexander mit in den Aufzug und drückt den E-Knopf .
    Während sich die Tür schließt, zeigt Daniel auf den U-Knopf und fragt: »Siehst du den?«
    »Ich bin ja nicht blind.«
    »Dann hör genau zu, was ich dir jetzt sage.« Daniel guckt Alexander in die Augen. »Den Knopf darfst du nie drücken.«
    »Warum nicht?«
    »Weißt du, was das U heißt?«, fragt Daniel. Alexander überlegt. »Untergeschoss, glaube ich.«
    »So, glaubst du?« Daniel tut sehr geheimnisvoll.Er schaut sich um, als ob jemand sie hier drin beobachten könnte. »Das heißt nicht Untergeschoss.« Mehr sagt er erst mal nicht.

    »Was dann?«, fragt Alexander.
    Wieder schaut Daniel in alle Ecken des Aufzugs. Dann flüstert er Alexander nur ein Wort ins Ohr: »Unterwelt!«
    Alexander zuckt zusammen. Er starrt vom U-Knopf zu Daniel und wieder zurück. »Glaub ich nicht«, murmelt er.
    »Dann drück doch drauf«, sagt Daniel, hält jedoch sofort Alexanders Arm fest und fügt hinzu: »Aber erst, wenn ich draußen bin!«
    Alexander ist froh, als der Aufzug endlich hält und sie aussteigen können. Draußen bleibt er kurz stehen. »Und was ist da unten?«, fragt er leise.
    Daniel zieht die Schultern hoch. »Ich war noch nie unten und ich werde mich auch hüten, jemals da runterzufahren.«
    »Woher weißt du dann   …«
    »Man hört so manches munkeln«, unterbricht ihn Daniel.
    »Was denn?«
    »Das ist nichts für kleine Jungs«, sagt Daniel und läuft zu seinen Freunden.
    Alexander steht wie benommen zwischen Aufzug und Ausgang. In seinem Kopf saust nur ein Wort herum: Unterwelt! Unterwelt! Unterwelt!
    »He, träumst du?«, fragt plötzlich eine Stimme.
    Alexander sieht Lisa neben sich stehen. Er ist noch so mit der Unterwelt beschäftigt, dass er keinen Ton herausbringt.
    »Hast du ein Gespenst gesehen?«
    Alexander schüttelt den Kopf.
    »Bist du krank?«
    »Nein«, sagt er endlich.
    »Dann los, sonst kommen wir zu spät!«, drängelt Lisa.
    Auf dem Weg zur Schule erzählt Lisa von einem Krimi, in dem sie gestern Abend gelesen hat. Alexander hört sie zwar reden, aber ihre Worte erreichen sein Gehirn nicht, weil es voll und ganz mit der Unterwelt beschäftigt ist.
    Auch in der Schule ist er nicht bei der Sache und Herr Simmack tadelt ihn. »EinePferdelunge allein reicht noch nicht für die Versetzung ins Gymnasium. Man muss auch rechnen können, die Grundregeln der Grammatik und Rechtschreibung beherrschen und über unser Land Bescheid wissen. Komm doch bitte mal nach vorn und zeig mir auf der Karte, wo München liegt.«
    München? Das hat Alexander schon mal gewusst. Aber als er vor der großen Landkarte steht, weiß er nichts mehr. Sein Blick irrt von Süd nach Nord, von Ost nach West.
    Auf der Karte wimmelt es nur so von roten Städtepunkten. Ein paar Namen kann Alexander lesen: Stuttgart, Frankfurt, Leipzig, Berlin, Hannover, Dortmund, Köln. Aber München ist nicht dabei.
    »Ich würde mal im Süden nachsehen«, sagt Herr Simmack. »Das ist unten.«
    Unten? Unten! Unterwelt!, schießt es Alexander durch den Kopf. Ist München eine Stadt in der Unterwelt? Seine Augen hangeln sich vom Bodensee über Ulm und Augsburg nach München.
    »Da«, sagt Alexander erleichtert und drückt den Finger auf das M.
    Herr Simmack schaut ihn verwundert an. »Was ist denn heute los mit dir?«
    »Nichts«, sagt Alexander.
    »Du bist so blass«, stellt Herr Simmack fest. »Ist dir nicht gut? Möchtest du an die frische Luft?«
    Alexander nickt und verlässt das Klassenzimmer. Draußen setzt er sich auf die Treppe und schließt die Augen. Sofort sieht er wieder Bilder aus der Unterwelt vor sich: Kinder fressende Monster, blutsaugende Vampire, böse Hexen, fürchterliche Räuber und Banditen.
    Plötzlich springt er auf, rennt kreuz und quer über den Schulhof und ruft dabei: »Weg mit euch! Haut ab!
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