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Die geheimnißvolle Insel

Die geheimnißvolle Insel

Titel: Die geheimnißvolle Insel
Autoren: Jules Verne
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nur wenige. Auch der Seegang erschien hier minder beträchtlich. Kaum hörte man ein Geräusch von der Brandung. Offenbar bildete diese Seite der Küste einen halbkreisförmigen Busen, den die vorspringende Spitze gegen den Wellenschlag der offenen See schützte.
    Beim Verfolgen dieses Weges gelangte man jedoch mehr nach Süden zu, d.h. von der Stelle weg, an welcher Cyrus Smith an’s Land geschwommen sein konnte. In anderthalb Meilen Entfernung bildete das Uferland immer noch keinen aufsteigenden Winkel, durch den man nördlicher hinauf zu kommen hoffen durfte, obgleich man nach Umgehung des Vorgebirges das eigentliche Land längst wieder erreicht hatte. Trotz der Erschöpfung ihrer Kräfte drangen die Schiffbrüchigen stets muthig vorwärts, immer in der Hoffnung, eine Biegung des Landes zu finden, längs der sie ihre ursprüngliche Richtung wieder einzuschlagen vermöchten.
    Wie groß war daher ihre Enttäuschung, als sie sich nach Zurücklegung zwei weiterer Meilen von Neuem auf einer höheren, von glatten Felsen gebildeten Spitze durch das Meer aufgehalten sahen.
    »Wir sind auf einem Eilande, sagte Pencroff, und haben dasselbe von einem Ende zum anderen durchmessen.«
    Der Seemann hatte vollkommen Recht. Die Schiffbrüchigen waren auf kein Festland, nicht einmal auf eine Insel, sondern nur auf ein Eiland geworfen worden, dessen Ausdehnung in der einen Richtung nur gegen zwei Meilen betrug, während die der anderen schwerlich viel größer sein konnte.
    Gehörte nun dieses unfruchtbare Stückchen Erde, das mit Steinen besäet, keine Spur von Pflanzenleben zeigte und nur die einsame Zufluchtsstätte gewisser Meeresvögel bildete, vielleicht einem umfänglicheren Archipele an? Noch konnte man diese Frage nicht entscheiden. Als die Passagiere das Land von ihrer Gondel aus durch die Dunstmassen sahen, vermochten sie dessen Ausdehnung nicht unbehindert zu überschauen. Doch glaubte Pencroff, mit seinen an Durchdringung der Dunkelheit gewöhnten Seemannsangen, im Westen unbestimmt Massen zu erkennen, die einer hoch aufsteigenden Küste angehörten.
    Etwas Genaueres ließ sich freilich über die Lage des Eilandes vor der Hand nicht feststellen, als daß man es nicht sofort verlassen konnte, da es rings vom Meere umschlossen war. Jede weitere Nachforschung nach dem Ingenieur, der keinen Laut von sich hatte hören lassen, mußte also bis zum folgenden Morgen aufgeschoben werden.
    »Cyrus Stillschweigen beweist noch gar nichts, sagte der Reporter. Er kann ohnmächtig, verwundet, augenblicklich außer Stande sein, zu antworten; deshalb allein dürfen wir noch nicht verzweifeln.«
    Der Reporter sprach zwar auch den Gedanken aus, auf einem vorspringenden Punkte des Eilandes ein Feuer, das dem Ingenieur als Signal dienen sollte, zu entzünden, doch suchte man vergeblich nach Holz oder trockenem Gesträuche. Sand und Steine, weiter fand sich eben Nichts.
    Man begreift leicht den Schmerz Nab’s und der klebrigen, welche sich dem unerschrockenen Cyrus Smith so innig angeschlossen hatten, jetzt, da es unmöglich schien, ihm Hilfe zu bringen. Entweder hatte der Ingenieur sich jetzt schon allein gerettet und eine Zuflucht auf der Küste gefunden, oder er war für immer verloren!
    Wie langsam und quälend verliefen ihnen die Stunden der Nacht. Die Schiffbrüchigen litten furchtbar, ohne sich selbst darüber besonders Rechenschaft zu geben. Sie dachten gar nicht daran, einen Augenblick der Ruhe zu suchen. Sich selbst um ihres Führers willen vergessend, hoffend und sich zur Hoffnung ermuthigend, liefen sie auf dem unfruchtbaren Eilande hin und her und kehrten immer wieder zu jener nach Norden auslaufenden Landspitze zurück, an der sie der Unglücksstelle am nächsten zu sein wähnten. Sie horchten gespannt, riefen so laut als möglich, und ihre Stimmen mußten weithin dringen, da in der Atmosphäre jetzt Ruhe herrschte und das Meer stiller zu werden und sich schon zu glätten begann.
    Ein lauter Ruf Nab’s schien einmal sogar von einem Echo wiedergegeben zu werden. Harbert machte Pencroff darauf aufmerksam.
    »Das würde noch weiter beweisen, daß im Westen eine Küste ziemlich in der Nähe läge.«
    Der Seemann nickte mit dem Kopfe. Uebrigens konnten seine scharfen Augen nicht trügen. Hatte er ein Land, und wenn auch noch so wenig davon, gesehen, so mußte ein solches auch vorhanden sein.
    Dieses entfernte Echo blieb aber auch die einzige Antwort, welche Nab erhielt, sonst war tiefes Schweigen rings umher.
    Allmälig klärte
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