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Die geheime Reise der Mariposa

Die geheime Reise der Mariposa

Titel: Die geheime Reise der Mariposa
Autoren: Antonia Michaelis
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brauchst nur zu warten, kleine Marit.«
    Aber in dem Moment, als der Wald José schluckte, war sie zu verzweifelt, um sich auf die Veranda zu setzen und zu warten.
    »Ich gehe ihn suchen«, sagte sie, und so kam es, dass sie letztendlich alle fünf losgingen, sogar Felipe, der doch mit nichts etwas zu tun hatte.
    Nur Marits privater Zoo blieb auf der Veranda sitzen. Selbst Carmen schien diesmal genug von Abenteuern und Hin-und-her-Geschaukle in Ärmeln zu haben.
    Irgendwo verloren sie die Spur aus umgeknickten Ästen, die José hinterlassen hatte.
    »Wir hätten den Hund mitnehmen sollen«, sagte Papa.
    Aber der große gelbe Hund war oben beim Haus angebunden, um auf die Farm aufzupassen. Mama hatte Marit erklärt, dass es wilde Esel auf der Insel gab, die gern die neu gepflanzten Sprösslinge fraßen.
    »Wir brauchen den Hund nicht«, sagte Marit plötzlich. »Ich weiß, wo José ist. Bei den Piratenhöhlen. Er kann nur dort sein.«
    Es war ein langer Marsch zu den Höhlen, und als sie dort ankamen, waren sie leer. Marit betrachtete die Steinbank, die kalte Feuerstelle, das Bett aus Blättern und Zweigen. Und die Traurigkeit in ihr, die doch kaputtgegangen war, wuchs wieder wie aus einem neuen Samen. Sie dachte daran, dass sie sich vorgestellt hatte, wie sie hier zusammen mit José überlebte. Wie sie Abend für Abend auf dem kleinen Platz vor den Höhlen sitzen und in den Sternenhimmel hinaufsehen würden.
    »Ehe das Haus fertig war, haben wir auch hier gewohnt«, sagte Mama. »Es ist ein guter Platz. Wenn man auf den Felsen klettert, aus dem die Höhlendecke besteht, kann man den Strand sehen. Vielleicht ist José dort?«
    Marit kletterte voraus. Unter ihnen, einen mehrstündigen steilen Fußmarsch entfernt, breitete sich der weiße Sandstrand aus. Sie sah eine Gruppe Seelöwen in der Sonne dösen. Sie sah einige Riesenschildkröten durch das Dornengestrüpp hinter dem Strand wandern.
    José sah sie nicht. Aber dann blickte sie aufs Meer hinaus und da sah sie etwas anderes. Etwas, das sie nicht erwartet hatte. Zwei Schiffe. Sie waren schon ganz nah, und sie segelten genau auf die Bucht zu, wo der alte Piratenweg endete. Genau auf die Klippen zu, zwischen denen die Seelöwen Marit und José hindurchgeleitet hatten. Es gab zu viele verborgene Klippen vor der Isla Maldita. Marit dachte an die Überreste des Wracks.
    Gleichzeitig dachte sie, dass sie die Schiffe kannte. Beide.
    Das eine war militärisch grau, das andere strahlend weiß wie die Federn des Königs der Lüfte. Die Roosevelt und die Albatros.
    »Das … das sind die Schiffe, die uns verfolgt haben«, sagte sie.
    »Egal, wer sie sind«, sagte Papa. »Wenn sie Kurs halten, laufen sie auf den Felsen auf.«
    Er begann mit beiden Armen zu winken. Dann streifte er sein Hemd über den Kopf und winkte mit dem Hemd.
    »Weiter nach links!«, brüllte er so laut, dass Marit zusammenzuckte.
    Mama starrte ihn an. »Bist du verrückt?«, fragte sie. »Es sind Amerikaner. Wir sind ihre Feinde. Jedenfalls werden sie das denken. Wir haben uns so lange versteckt und jetzt …« …
    Aber Papa hörte ihr nicht zu. »Liiiinks!«, brüllte er, »Vorsiiiiiiiiiiiiicht!« Und dann sah er Mama an, und Marit merkte, dass er ihr doch zugehört hatte.
    »Ich habe es so satt«, sagte er, »ich habe es so satt, mich zu verstecken. Wenn sie merken, dass wir ihnen helfen wollen …«
    Doch die Männer hatten nicht einmal gemerkt, dass Papa gerufen hatte. Sie waren zu weit entfernt, um ihn zu hören.
    »Wir müssen lauter sein«, sagte Marit.
    Sie drehte sich zu Papa und Felipe um, die beide Gewehre trugen, mehr aus Gewohnheit. Papa sah ihren Blick, nickte und nahm das Gewehr von der Schulter. Dann lud er es durch und feuerte in die Luft.
    Der Schuss hallte an den Felsen wider, hallte den Abhang hinunter, rollte durch die Bucht wie Donner und erreichte die Schiffe. Papa begann wieder zu rufen. Und Marit sah, wie die Männer auf den Schiffen zu ihnen heraufblickten. Doch sie winkten nicht zurück. Wenigstens änderten sie ihren Kurs. Sie wichen den Klippen aus und brachten ihre Schiffe erst jenseits der gefährlichen Stelle an Land.
    »Es funktioniert«, sagte Mama. Aber sie klang besorgt. »Ich hoffe, sie haben verstanden, dass es ein Warnschuss war.«
»Gehen wir ihnen entgegen«, sagte Papa. »Ich werde es ihnen erklären. Ich werde ihnen alles erklären. Wenn sie uns dann zurückschicken, können wir nichts tun. Aber ich kann nicht mehr. Ich kann mich nicht mehr verstecken. Es tut mir
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