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Die Flucht

Titel: Die Flucht
Autoren: Patrick Ness
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als sonst jemandem in dieser beschissenen kleinen Stadt, obwohl es Ben war, der mir das Leben gerettet hat und der es, ich bin mir sicher, jederzeit wieder tun würde, zögere ich ein wenig, ihn meinen Lärm lesen zu lassen, damit er sieht, was im Sumpf geschehen ist. Und das liegt hauptsächlich daran, dass es mir jedes Mal die Luft abschnürt, wenn ich daran denke.
    »Todd?«, sagt Ben und betrachtet mich aufmerksam.
    »Ruhig«, bellt Manchee, leise. »Ruhig im Sumpf.«
    Ben schaut auf Manchee, dann wieder auf mich, seine Augen blicken noch immer sanft und fragend und voller Anteilnahme. »Wovon redet er, Todd?«
    Ich seufze. »Wir haben etwas gesehen. Mitten im Sumpf. Na ja, eigentlich haben wir es nicht gesehen, weil es sich versteckt hat, aber es war wie ein Loch im Lärm, wie ein Riss ...«
    Ich höre auf zu reden, denn er hört nicht mehr auf das, was ich sage. Ich habe meinen Lärm für ihn geöffnet, und ich erinnere mich so gewissenhaft, wie ich mich nur erinnern kann, aber er schaut mich plötzlich so wild an, und weit hinter mir höre ich, wie Cillian kommt, er ruft »Ben?« und »Todd?«. Aus seiner Stimme und aus seinem Lärm spricht Sorge, woraufhin auch Bens Lärm zu brodeln beginnt, und ich denke noch immer so wahrhaftig, wie ich kann, an das Loch, das ich im Lärm entdeckt habe, aber auch so leise wie nur möglich, leise, ganz leise, denn ich will die Stadt um keinen Preis an dieser Entdeckung teilhaben lassen, und Cillian kommt auf uns zu und Ben schaut mich einfach nur an, schaut mich so lange an, bis ich schließlich nicht mehr anders kann und es wissen muss.
    »Sind es die Spackle ?«, frage ich. »Sind es die Spackle? Sind sie zurückgekommen?«
    »Ben ?« Cillian schreit den Namen, während er quer über die Felder gerannt kommt.
    »Sind wir in Gefahr?«, frage ich. »Gibt es wieder Krieg?«
    Aber Ben sagt nur: »Oh mein Gott!« Er sagt es ganz leise, und dann sagt er noch einmal: »Oh, mein Gott!« Und dann, ohne sich zu rühren oder aufzublicken, sagt er: »Wir müssen dich von hier wegbringen. Wir müssen dich sofort von hier wegbringen.«

4
    Denk nicht daran
    Cillian kommt herbeigelaufen, aber ehe er etwas sagen kann, zischt Ben ihn an: »Denk nicht daran!«
    Er wendet sich mir zu. »Und du auch nicht. Vergrab es unter deinem Lärm. Verbirg es, so gut es geht.« Und er packt mich an den Schultern, während er das sagt, und drückt mich so fest, dass mein Blut noch mehr rauscht als vorher.
    »Was ist los ?«, frage ich.
    »Bist du durch die Stadt nach Hause gegangen?«, will Cillian wissen.
    »Natürlich bin ich durch die Stadt nach Hause gegangen«, sage ich patzig. »Welchen anderen Scheißweg gibt es denn sonst, um nach Hause zu kommen?«
    Cillians Miene versteinert, aber nicht, weil ich ihn angeblafft habe und er eingeschnappt ist, seine Miene versteinert aus Furcht, einer Furcht, die wie ein Schrei aus seinem Lärm herausdringt. Die beiden schimpfen nicht einmal mit mir, weil ich »Scheißweg« gesagt habe, was es in gewisser Weise nur noch schlimmer macht. Manchee bellt wie verrückt: »Cillian! Ruhig! Scheiße! Todd!«, aber niemand macht sich die Mühe und sagt ihm, dass er die Schnauze halten soll.
    Cillian schaut Ben an. »Wir müssen es jetzt tun.«
    »Ich weiß«, sagt Ben.
    »Was ist los?«, wiederhole ich, diesmal ganz laut. »Was müssen wir jetzt tun?« Ich befreie mich aus Bens Griff und starre die beiden aufgebracht an.
    Ben und Cillian tauschen einen Blick, dann sagt Ben zu mir: »Du musst weg aus Prentisstown.«
    Meine Augen wandern von einem zum anderen, aber die beiden geben nichts preis in ihrem Lärm, da ist nichts zu spüren als tiefe Sorge. »Was soll das heißen: Ich muss weg aus Prentisstown?«, frage ich. »Es gibt doch in New World nichts außer Prentisstown.«
    Die beiden werfen sich noch einen Blick zu.
    »Hört auf damit!«, schreie ich sie an.
    »Komm«, sagt Cillian. »Wir haben deine Tasche schon gepackt.«
    »Wie kann es sein, dass ihr meine Tasche schon gepackt habt?«
    Cillian sagt zu Ben: »Wahrscheinlich bleibt uns nicht mehr viel Zeit.«
    Und Ben sagt zu Cillian: »Er könnte hinunter zum Fluss gehen.«
    Und Cillian sagt zu Ben: »Du weißt, was das heißt.«
    Und Ben sagt zu Cillian: »Das ändert nichts an unserem Plan.«
    »Was, verflixt noch mal, geht hier vor?«, brülle ich. Aber natürlich sage ich nicht »verflixt«, denn die Situation verlangt nach einem Ausdruck, der ein bisschen schärfer ist. »Von welchem Scheißplan redet ihr?«
    Aber
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