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Die falsche Frau

Die falsche Frau

Titel: Die falsche Frau
Autoren: Katrin Mackowski
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auf ex.
    François aber konnte seinem Freund nicht ins Gesicht sehen. Er hörte nur, wie er schluckte. Dieses Knabengesicht. Dieses Lächeln. Aber tief drinnen glaubte er immer noch, dass er Katzan etwas schuldete.
    »Ich geb dir Bescheid«, sagte er. »Später.«
    »Nein«, sagte Katzan. »Sofort.«
    Dann rülpste er und ging aufs Klo. Als er wieder kam, packte er seinen Freund an den Schultern. »Du willst doch wohl keinen Ärger machen, Bruder?«
    François sah in seine stechenden Augen.
    Der Schmerz kam wieder, dieser Fehler von damals.
    Sie waren im Kosovo stationiert und sollten Wache schieben. Zum Schutz der Zivilbevölkerung, hieß es. Katzan wollte fliehen, kam aber nicht weit. Zwei Männer hielten ihn zurück, malträtierten ihn mit Macheten und waren gerade dabei, seinen Hals aufzuschlitzen. »Deserteure wie du werden eben gelyncht«, hatte François geschrien, die Männer in die Flucht getrieben und den Bruder gegen seinen Willen über die Schulter geworfen und nach Hause getragen, zurück zur Legion, zurück in die Familie, die ihn dafür um so mehr knebelte.
     
    »Schon gut«, sagte François, und Katzan redete weiter. Immer wieder fiel der Name ORTIS.
    »Denk dran«, sagte Katzan. »Auf uns wartet ‘ne fette Prämie. Du kannst ganz offiziell als verdeckter Ermittler bei den Wiener Bullen anheuern.«
    Doch François hatte Schwierigkeiten, sich für einen Mann zu halten, der sauber machen ging, der für Recht und Ordnung einer Gesellschaft eintreten sollte, die er kaum kannte und für die er sich bisher nicht interessiert hatte.
    »Ich weiß nicht«, sagte François.
    »Ich weiß nicht«, wiederholte Katzan und scheuerte auf seinem Handrücken herum. »So viel ich weiß, brauchst du Geld. Dein Vater hat nichts außer Scheiße hinterlassen, und deine Braut ist auch weg.«
    »Arrête!« François schlug mit der Faust gegen die Wand. »Was hat der Alte damit zu tun!«
    »Du sollst nichts weiter machen als dich bei Dimitri für den Kontaktmann von ORTIS ausgeben«, sagte Katzan ruhig. »Du sollst zum Kapitän der MS Jiri gehen, brav Männchen machen und eine kleine Menge Heroin von ORTIS an die Russen abliefern. Die Bullen machen eine Razzia, schnappen sich Dimitri und beschlagnahmen die Drogen. Du wirst natürlich nur zum Schein verhaftet. Beim geringsten Anzeichen, dass was faul ist, blasen wir sofort alles ab.«
    François seufzte verächtlich.
    »Und wer garantiert, dass das klappt?«
    »Garantiert ist der Tod«, sagte Katzan.
    Dann ging er zur Garderobe und kam mit einer Waffe wieder.
    Das schwarze, glatte Ding schimmerte im Licht der Wohnzimmerlampe.
    »Sieh dir das Teil an. Erste Wahl für afrikanische Diktatoren und europäische Terroristen.« Eine Skorpion.
    Katzan warf das Ding in die Luft.
    François fing es auf.
    »Woher hast du die? Aus dem Lager?«
    Katzan antwortete nicht. Sein Blick war durchdringend.
    »Du bist dabei, Bruder!«

3
    E IN A NGSTTRAUM HATTE IHN AUFSCHRECKEN LASSEN . François knipste die Nachttischlampe an und sah auf die Uhr.
    Halb drei.
    Seine Kleider klebten am Körper. Sein Gesicht war nass.
    Er war der Cafard gewesen, ein Schnellläufer mit Chitinpanzer, schwarzer Brust und zwei Krallen am Ende von fünf Fußgliedern.
    Sollte er die Waffe, die er auf dem Wohnzimmertisch liegen sah, nehmen und in die Lade seines Vaters legen?
    Etwas, das ihm die Kehle zuschnürte und bewegungsunfähig machte, ließ ihn nur panisch ins Dunkel starren.
    Der Cafard!
    Nie hatte er so gezittert, nie hatte er so gefroren.
    Er wusste nicht, ob er es war, der sich zwischen den Schauern seiner Angst immer wieder zur Ruhe zwang, oder das Tier, von dem er nur geträumt hatte, das Tier, das da immer noch dunkel und gefräßig zwischen Fußleiste und Wand lauerte.
    Es sollte aufhören. Das Zittern. Der Schrecken in seinen Gliedern, der ihn wie Schüttellähmung überfiel.
    François wälzte sich. Arme und Beine schlugen von einer Seite zur anderen, als wolle er einen unbekannten Schmerz besiegen, diesen Angreifer, aber da war nichts. Nichts!
    Ein Flirren legte sich auf seine Netzhaut. Durch das geöffnete Fenster zog es. Katzans gepresste, hohe Stimme hallte in seinen Ohren. »Was von Claire gehört?«
    Und danach Claire im gereizten Tonfall: »Lass mich!«
    Wie sie ihn eben noch mit saugenden Küssen übersät, wie sie mit ihren Fingern über jeden Zentimeter seiner Haut getastet hatte. Nackt sah er sie wieder vor sich. Claire in Übergröße, wie sie ihr Gesicht hinter ihren Händen verbarg, wie er
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