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Die Erfinder des guten Geschmacks

Die Erfinder des guten Geschmacks

Titel: Die Erfinder des guten Geschmacks
Autoren: Jörg Zipprick
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was Ferran Adrià vor 20 Jahren mit der molekularen Küche getan hat, wird Jahre im Voraus ausgebucht sein und alle Journalisten der Welt in seinem Haus haben«, prophezeite This 2009 in L’Hôtellerie Restauration . Wirtschaftlicher Erfolg und globale Bekanntheit, was könnte es Schöneres geben? Seine Jünger versorgt This mit Syntho-Rezepten wie dem »Schwammwürfel von 1-Octen-3-ol auf essbarer Erde«, einer Idee von Clément Buvry, Küchenchef von Mane. Das Unternehmen Mane im südfranzösischen DorfLe Bar-sur-Loup ist der sechstgrößte Aromenhersteller der Welt, beschäftigt 3000 Menschen und erwirtschaftet mit Aromastoffen einen Umsatz von 638 Millionen Euro.
    I N EINEN ZÜNFTIGEN S CHWAMMWÜRFEL GEHÖREN LAUT M ONSIEUR B UVRY

    116 g Traubenzucker
    20 g Weizenmehl Typ 55
    18 g Albumin
    75 g Mandelpulver
    7,5 g Zucker
    1,5 g Salz
    1-Octen-3-ol: 1 g einer Lösung, verdünnt auf 1 %
    132 g Wasser
    Das Rezept wurde als E-Mail im Juli 2013 von Hervé This verbreitet. Wie schade, dass hier noch Mandelpulver zum Einsatz kommt, was dem Konzept der Ernährung ohne Fisch, Fleisch, Geflügel, Obst und Gemüse nicht vollkommen gerecht wird. Der Aromengeber, 1-Octen-3-ol, auch Octenol genannt, ist ebenfalls in menschlichem Schweiß und Atemluft enthalten. Zudem wird es als Insektenlockstoff genutzt.
    Hervé This begründet die Notwendigkeit seiner Notenküche mit einer aufkommenden Energiekrise, die eine Ernährung auf der Basis von Komponenten aus der Chemiefabrik geradezu zwingend notwendig mache. Leider vergisst diese Rechnung den Energiebedarf der chemischen Industrie. Allein in Deutschland wurden zum Beispiel im Jahr 2010 rund 2   081   801 TerajouleElektrizität erzeugt oder importiert. Davon verbrauchte die chemisch-pharmazeutische Industrie nicht weniger als 188   410 Terajoule. Das sind etwas mehr als neun Prozent des Energiebedarfs des gesamten Landes, ein Energieverbrauch, der durch die Herstellung des Syntho-Futters für 80 Millionen Bürger nochmals gesteigert würde. Aber stellen wir uns einmal vor, die prophezeite Energiekrise würde hier und jetzt mit solcher Wucht zuschlagen, dass der Transport von Waren und der Betrieb einer Küche unmöglich würde: Wären dann nicht bewaffnete Konflikte um die letzten Ressourcen die Folge? Quasi nebenbei würde mangels Transportmöglichkeiten die Weltwirtschaft in nie zuvor gekannter Form kollabieren. Die Menüs von Luxus- und anderen Restaurants wären dann möglicherweise die letzten unserer Sorgen.
    Die Ess-Visionen des Professors klingen nach einer Kreuzung aus Mad Max und Brust oder Keule und wecken, wenn man sie sich mit allen Folgen bildhaft ausmalt, eher Angst als Appetit. Keine Energie, die Menschheit prügelt sich um die letzten Vorkommen an Öl und Gas, Staaten verfallen zu Stämmen, Stämme zu Horden […] was dann? Dann werden irgendwann die Überlebenden aus den Ruinen kriechen und beginnen, Vieh zu züchten und Gemüse anzubauen. Irgendwann wird jemand ein wenig Holz auftreiben und ein Feuer entzünden. Und dann wird wieder gekocht.

Q UELLENVERZEICHNIS
    Die entsprechenden Kapitel enthalten Auszüge von Interviews des Autors aus den letzten 25 Jahren mit Ferran Adrià, Juan Mari Arzak, Martín Berasategui, Michel Bras, Thierry Breton, Alain Chapel, Alain Ducasse, Alain Dutournier, Pierre Gagnaire, Frédy Girardet, Michel Guérard, Paul Haeberlin, Dieter Kaufmann, Bernard Loiseau, Jacques Maximin, Dieter Müller, Bernard Naegellen, Bernard Pacaud, Jean-Louis Palladin, Anne-Sophie Pic, Pascal Remy, Joel Robuchon, Joan Roca, Philippe Rochat, Olivier Roellinger, Santi Santamaria, Martin Selmayr, Alain Senderens und Michel Troisgros.
Bücher und Buchbeiträge
    Abad, Reynald: »Aux origines du suicide de Vatel: les difficultés de l’approvisionnement en marée au temps de Louis XIV«, in: Revue du 17ème siècle , PUF, 2002.
    Adrià, Ferran: Los Secretos de El Bulli, Altaya , Barcelona 1997.
    Alicia und elBullitaller (Albert & Ferran Adrià): Das wissenschaftliche Lexikon der Gastronomie   – das Grundlagenwerk der molekularen Küche, Stuttgart 2007.
    Alicia und elBullitaller: Léxico científco gastronómico , Barcelona 2006.
    Bastard, Algernon/Newnham-Davis, Nathaniel: The Gourmet’s Guide to Europe , Grant Richards, 1903.
    Beard, James/Watts, Alexander: Paris Cuisine , Boston 1952.
    Beaugé, Bénédict: Aventures de la cuisine française , Paris 1999.
    Beaugé, Bénédict: Plats du jour: Sur l’idée de la nouveauté en cuisine , Paris
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