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Die Erben der Nacht 04 Dracas

Die Erben der Nacht 04 Dracas

Titel: Die Erben der Nacht 04 Dracas
Autoren: Schweikert Ulrike
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wirkte er geradezu grotesk. Leonarda steckte noch immer in dem mageren Körper einer Dreizehnjährigen, wie an dem Tag, an dem sie von einem Nosferas gebissen und zum Vampir gewandelt worden war. Im Gegensatz zu den Vampiren reinen Blutes veränderten sich die Unreinen, Schatten oder Servienten, wie manche Clans sie auch nannten, nicht mehr, egal, wie alt sie wurden. Jeden Abend erhoben sie sich aus ihrem Sarg, als sei es noch immer die Nacht ihres Todes. Rein äußerlich zumindest. Denn wie bei alle anderen Vampire nahmen ihre Kräfte, ihre Erfahrung und ihr Wissen zu und machten sie zu tödlichen Jägern. Wobei Unreine keine Menschen zu Vampiren wandeln konnten - oder es zumindest nicht durften. Luciano wusste nicht, ob je ein Servient das Verbot missachtet und es versucht hatte. Doch ob rein oder unrein, irgendwann erreichte jeder Vampir den Zenit und von da an wurde er mit zunehmendem Alter auch schwächer. Nicht dass er wie ein Mensch einfach sterben konnte. Die Altehrwürdigen begannen sich nach und nach zurückzuziehen, gingen immer seltener auf die
Jagd und überließen es irgendwann den Jungen und Starken, für ihr Wohl zu sorgen. So existierten sie weiter, bis zu dem Tag, an dem sie beschlossen, für immer zu gehen. Dann suchten sie sich einen abgeschiedenen Platz, um von dort aus ein einziges letztes Mal die Sonne aufgehen zu sehen.
    Im Gegensatz zu Chiaras mädchenhaftem Schatten war Maurizios Servient Pietro ein großer Mann, dessen kräftige Arme Leonarda nun mit einem ganzen Stapel von Chiaras Hutschachteln belud. Daneben stand Dario - sein eigener neuer Schatten, an den sich Luciano noch immer nicht gewöhnen konnte. Francesco war sein Schatten gewesen, bis ihn in Irland eine silberne Kugel ins Herz getroffen und ihn vernichtet hatte. Clanführer Claudio hatte darauf bestanden, ihm einen neuen Servienten zu geben, und so diente ihm nun Dario, der einst Schatten des altehrwürdigen Giuseppe gewesen war, Claudios Großvater und sein Vorgänger als Führer der Nosferas. Giuseppe hatte ein schreckliches Ende gefunden. Die Klinge eines Schwerts war in sein Herz gedrungen und hatte ihm den Kopf vom Hals getrennt. Luciano durchfuhr ein Schauer beim Gedanken an jene schreckliche Nacht.
    »Luciano!« Alisas Stimme ließ ihn herumfahren und vertrieb die düsteren Erinnerungen. Die langen Röcke gerafft, kam sie über den nächtlichen Bahnsteig auf ihn zugelaufen. Er konnte die Volants um ihre entblößten Knöchel schwingen sehen.
    Typisch Alisa! Sie war zwar ebenfalls ein wenig gewachsen und ihr burschikoser Körperbau ein wenig weicher und weiblicher, das hieß aber offensichtlich nicht, dass auch ihr Verhalten damenhafter geworden war. Über das ganze Gesicht strahlend fiel sie ihm um den Hals.
    »Luciano, endlich. Wir anderen sind alle bereits gestern angekommen.«
    Ein wenig verlegen schob Luciano die Vamalia eine Armeslänge von sich. Vielleicht lag es an dem Strahlen in ihren hellblauen Augen oder an dem rötlichen Schimmer, den die Gaslaternen ihrem nachlässig aufgesteckten Blondhaar verliehen, dass ihre Wangen fast menschlich rosa schienen und nicht so porzellanartig blass wie die Haut der anderen Vampire.

    »Du siehst gut aus!«, begrüßte sie Luciano mit einem anerkennenden Nicken. Alisa lächelte ihn offen an.
    »Du nimmst mir die Worte aus dem Mund!« Sie pfiff ganz undamenhaft durch die Zähne. »Luciano, ich sehe es kommen, du wirst allen Wienerinnen den Kopf verdrehen!«
    »Verehrte Alisa, seit wann besitzt du hellseherische Fähigkeiten? Soweit mir bekannt ist, bist du nicht einmal des Gedankenlesens mächtig.«
    Die näselnde Stimme rief in Luciano so manche für ihn peinliche Situation in seine Erinnerung zurück, die er gerne für immer verdrängt hätte. Franz Leopold de Dracas reichte ihm die Hand und grinste ihn unverschämt an.
    »Lass das, Leo!«, fauchte Luciano leise. »Versuche nicht in meinen Gedanken zu lesen.«
    Franz Leopold machte eine wegwerfende Handbewegung. »Was heißt hier versuchen? Ich gebe mich nicht mit Versuchen ab, wenn ich mir etwas vornehme. Aber reg dich ab. Was kann es da schon Interessantes zu finden geben, das ich nicht längst wüsste?«
    Luciano ging nicht auf ihn ein. Er wandte sich stattdessen an Alisa.
    »Wie geht es den Vamalia? Wohnt ihr immer noch auf der gestrandeten Fregatte?«
    Alisa schüttelte den Kopf. »Nein, das war dann doch ein wenig eng für alle. Wir haben ein altes Gebäude am Rand des Hafens bezogen, das uns aber auch nur vorübergehend
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