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Die Darwin-Kinder

Die Darwin-Kinder

Titel: Die Darwin-Kinder
Autoren: Greg Bear
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grünlichem Sonnenschutzglas frei, die wie ein Labyrinth für Hamster über einem mehr als achttausend Quadratmeter großen Becken aus nacktem grauen Beton schwebten. Sie streckte die Hand aus und bedeutete ihm, voranzugehen. »Sie wissen doch aus erster Hand, was Shiver bedeutet.«
    »Nach ein paar Wochen war es überstanden«, bemerkte Dicken.
    »Es hat fünf Wochen gedauert und Sie wären beinahe gestorben, verdammt noch mal! Spielen Sie mir hier bloß nicht den tollkühnen Virusjäger vor!«
    Dicken trat vorsichtig auf den Laufsteg, da er Tiefendimensionen nur schwer abschätzen konnte. Nur eines seiner Augen war noch intakt, aber auch auf diesem Auge war er sehbehindert, sodass er eine starke Kontaktlinse brauchte.
    »Der Mann hat seine Frau geschlagen, Marian. Sie war aufgrund einer schwierigen Schwangerschaft krank. Hatte Stress und Schmerzen.«
    »Stimmt«, erwiderte Marian. »Aber das traf doch sicher nicht auf Mrs. Rhine zu, oder?«
    »Da lag das Problem woanders«, räumte Dicken ein.
    Freedman ließ sich zu einem dünnen Lächeln herab.
    Zuweilen offenbarte sie Witz von beißender Schärfe, allerdings schien ihr wirklicher Humor völlig fremd zu sein.
    Pflichterfüllung, harte Arbeit, Forschung und ein würdevolles Auftreten bestimmten ihren engen Lebenskreis. Marian Freedman war eine überzeugte Feministin und hatte nie geheiratet. Sie war eine der besten und engagiertesten Wissenschaftlerinnen, denen Dicken je begegnet war.
    Während sie nebeneinander auf dem Aluminiumlaufsteg hergingen und den Weg in nördliche Richtung einschlugen, passte sie ihr Tempo seinem Schritt an. Hohe Stahlzylinder erwarteten sie am Ende der Zugangsröhren, Aufzugschächte für die Fahrstühle, die zu Kammern unterhalb der fugenlosen Betonfläche führten. Die Zylinder trugen große viereckige

    ,Hüte’ – gasbetriebene Hochtemperaturöfen, die jeden Luftzug sterilisierten, der aus den darunter liegenden Einrichtungen drang.
    »Willkommen in Augustine’s Haus. Wie gehts Mark eigentlich?«
    »Bei unserer letzten Begegnung wirkte er nicht sonderlich glücklich.«
    »Ehrlich gesagt, wundert mich das gar nicht, obwohl ich natürlich Milde walten lassen sollte. Schließlich hat Mark mich von Forschungsprojekten mit Affen zum Forschungsprojekt Mrs. Rhine befördert.«
    Vor zwölf Jahren, als die Centers for Disease Control, kurz CDC genannt, die Projektgruppe zur Erforschung der Herodes-Grippe ins Leben gerufen hatten, war Freedman noch Leiterin des Primaten-Labors in Baltimore gewesen. Mark Augustine, damals Direktor der CDC und Dickens Chef, hatte in der angespannten Finanzlage auf staatliche Sondermittel gehofft.
    Die Herodes-Grippe, die man für Tausende schrecklich missgebildeter Fehlgeburten verantwortlich machte, hatte wie ein Geschenk des Himmels (oder der Hölle) zur Sanierung der Finanzen gewirkt. Es wurde recht bald klar, dass die Herodes-Grippe durch eines von Tausenden humaner endogener Retroviren, kurz HERVs genannt, übertragen wurde, die in der DNA jedes Menschen enthalten sind. Prompt hatte man das uralte Virus, das jetzt freigesetzt, mutiert und ansteckend war, SHEVA getauft. SHEVA stand für Scattered Human Endogenous Viral Activation – Aktivierung verstreuter humaner endogener Retroviren –, weckte aber gleichzeitig Assoziationen an die lebensspendende und lebensvernichtende Kraft der hinduistischen Gottheit Schiwa. Damals hatte man die Viren für nichts anderes als eigennützige Krankheitserreger gehalten.

    »Sie hat sich auf das Wiedersehen mit Ihnen gefreut«, bemerkte Freedman. »Wie lange liegt Ihr letzter Besuch zurück?«
    »Sechs Monate.«
    »Mein liebster Wallfahrer erweist unserem Lourdes der Viren die Ehre«, sagte Freedman. »Na ja, die Gute ist ja auch wirklich so etwas wie ein Wunder. Außerdem hat die arme Frau auch etwas von einer Heiligen.«
    Freedman und Dicken passierten Kreuzungen, an denen Röhren in südwestlicher, nordöstlicher und nordwestlicher Richtung zu anderen Aufzugschächten führten. Draußen wärmte sich die Luft an diesem Sommermorgen schnell auf.
    Durch das dämpfende Schutzglas der Röhren war die Sonne unmittelbar über dem Horizont als grünliche Kugel zu erkennen. Rings um sie herum verströmte die Klimaanlage mit ächzenden Atemzügen kühle Luft.
    Inzwischen waren sie ans Ende der Hauptröhre gelangt.
    Rechts von der Fahrstuhltür hing ein laminiertes Schild, in das der Name MRS. CARLA RHINE eingraviert war. Freedman drückte auf den weißen Knopf, es war der
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