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Die Comtessa

Die Comtessa

Titel: Die Comtessa
Autoren: Ulf Schiewe
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nicht gestillt gewesen. Auch die Fußzehen hatte man Tibaut zerquetscht. Und zur peinlichen Befragung, um all seine Geheimnisse ans Licht zu fördern, hatte man ihm Haare und Fingernägel ausgerissen, Zähne ausgeschlagen, ihn mit glühenden Zangen gezwickt, die Nase gebrochen und den Kiefer zertrümmert. Der Mann konnte sich nur noch unter Qualen rühren und kaum noch einen zusammenhängenden Satz sprechen.
    Nun ließ Menerba ihn von seinen Ketten befreien und an einen Tisch geleiten. Sie halfen ihm, sich zu setzen. Eine Kerze beleuchtete Gänsekiel, Tintenfass und einen Bogen Pergament. Darauf stand in Großbuchstaben das Wort
CONFESSO
und darunter eine lange Aufzählung seiner Verbrechen.
    »Dies ist das Letzte, was ich von dir verlange«, sagte Menerba. »Du hast mir den Mord an dem jungen Aimeric gestanden. Es war allein deine Tat, um dir Vorteile zu verschaffen, weil du glaubtest, la Bela würde dich dafür belohnen. Als sie dies ablehnte, hast du sie heimtückisch mit der Tat erpresst. Auch Ermengarda hast du nach dem Leben getrachtet, wie dein Spießgeselle es bereits gestanden hat. Und andere Schandtaten, alles hier aufgeführt, wie du es gebeichtet hast. Und nun unterschreib.«
    Tibaut wandte ihm halb den Kopf zu und blinzelte ihn mühsam aus geschwollenen und blutunterlaufenen Augen an. Er wusste, dass mit der Unterschrift sein Leben ein Ende nehmen würde, aber das war ihm jetzt gleichgültig, ja sogar willkommen. Als man ihm den Gänsekiel in die noch gesunden Finger der rechten Hand drückte, unterschrieb er mit zittrigem Schriftzug. Damit alles seine Rechtmäßigkeit hatte, zeichnete auch
Senher
Roger als Zeuge und am Ende Menerba selbst.
    Sobald die Tinte trocken war, faltete Menerba das Pergament sorgfältig und steckte es in seine Gürteltasche.
    »Du hast mir sehr geholfen«, sagte er. »Zum Dank dafür will ich dich nicht länger quälen.«
    Kaum gesagt, riss er den Dolch aus der Scheide, und bevor Tibaut auch nur mit den Lidern blinken konnte, durchtrennte ihm der scharfe Stahl die Kehle. Die Augen weiteten sich noch ein letztes Mal, als ein mächtiger Blutschwall aus der breiten Wunde quoll und alles Leben mit sich riss. Als Tibauts Leiche zu Boden sank, trat Menerba rasch zur Seite, um seine Stiefel nicht zu besudeln.
    »Nun wirst du ihr nicht mehr schaden können«, murmelte er.
    Den Rest besorgten seine Männer. Man zog den Leichnam aus, verbrannte die Kleider und machte das Gesicht unkenntlich. In der Nacht stießen sie den Kadaver über eine Klippe in den dichten Wald einer Schlucht, den Tieren zum Fraß. So endete Tibaut, der geglaubt hatte, ungestraft mit den Mächtigen spielen zu können.
    ***
    Menerba wartete noch einige Tage, bis die Stadt sich langsam von den vielen Fremden geleert hatte. Auch Alfons Jordan und der Graf von Barcelona hatten sich freundlich voneinander verabschiedet und waren ein jeder seines Weges gezogen. Nun, so schätzte er, war endlich die Zeit gekommen, la Belas Schicksal zu bestimmen.
    »Ich kann verstehen, dass Euch die Entscheidung nicht leichtfällt,
Midomna
«, sagte er zu Ermengarda. Er hatte um ein Gespräch unter vier Augen gebeten. »Lasst Ihr sie frei, müsst Ihr befürchten, sie könnte sich erneut gegen Euch verschwören. Zumindest muss Euch das durch den Kopf gehen, nicht wahr?«
    Ermengarda enthielt sich jeglicher Bemerkung.
    »Andererseits«, fuhr er fort, »wäre der öffentliche Aufruhr eines Gerichtsverfahrens Eurer jungen Herrschaft gewiss nicht zuträglich, zumal es kaum Beweise gibt.«
    »Kommt zur Sache, Menerba. Was wollt Ihr?«
    Der ruhige, aufmerksame Blick, den sie unverwandt auf ihn gerichtet hielt, brachte ihn ein wenig aus der Fassung. Es war,
per Dieu,
als ob der alte Aimeric ihn anstarrte.
    »Ich bitte Euch um ihr Leben und um ihre Freiheit.«
    »Ich soll sie gehen lassen?«
    »Sie schwört, sie hat nicht getan, was man ihr zur Last legt.«
    »Das glaubt Ihr? Sie hat einen Mörder auf mich gehetzt. Das ist unbestritten.«
    »Sie bereut es zutiefst. Und in der Hauptsache hat sie nur Tibauts Drängen nachgegeben. Der wahre Mörder ist bereits bestraft.«
    »Und der Mord an meinem Bruder?«
    »Ich habe Tibauts schriftliches Geständnis und die vollkommene Entlastung Eurer Stiefmutter.«
    Ermengarda runzelte die Stirn. »Ein Geständnis? Ich dachte, er ist entkommen.«
    »Nur zum Teil,
Midomna,
nur zum Teil.«
    »Und wo ist er?«
    »Leider inzwischen verstorben,
Midomna.
Er muss Euch nicht weiter kümmern.«
    »Wie zweckdienlich«,
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