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Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden

Titel: Die Chronik von Tornor 03 - Die Frau aus dem Norden
Autoren: Elizabeth A. Lynn
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Merith.
    Kedéras Finger tasteten prüfend. »Ein Flügel ist gebrochen. Ich kann spüren, wo der Knochen zersplittert ist. Sie konnte nicht mehr fliegen und sich Futter suchen; daran ist sie gestorben, Mutter. Ich bring sie Meg, die kann sie in den Suppentopf stecken.« Sie schnippte mit den Fingern. »Komm, Lauf!« Sie zog mit langen Schritten davon, und der Hund hechelte dicht auf ihren Fersen hinterdrein.
    Sorren fragte: »Was sollen Sark und Ryke mit dem Schlitten befördern?«
    »Holz«, sagte Merith. »Und Fisch. Hoffe ich jedenfalls.«
    Sorren sagte: »Ich könnte jagen. Damit hätten wir ein wenig Frischfleisch.«
    Merith hustete. »Ich danke dir«, sagte sie. »Es ist freundlich von dir, dies anzubieten. Doch wenn du mit deiner Rückkehr nach Nuath noch lange zögerst, wirst du den Winter hier oben verbringen müssen.«
    »Aber ...« Sorren brach zögernd ab und überdachte noch einmal blitzschnell alles, was sie am Tag zuvor zu Merith gesagt hatte. Nein, sie hatte nicht direkt gesagt, daß sie auf Tornor zu bleiben gedenke. Doch, wollte Merith sie wegschicken? »Ich hatte eigentlich nicht vor, nach Nuath zurückzukehren.«
    Merith verschränkte die Arme über der Brust. »Aber du mußt zurück«, sagte sie. »Wir haben hier oben jetzt schon kaum genug zu Essen, um das Gesinde und uns durchzubringen. Außerdem bist du ein Bote. Du kannst doch nicht den ganzen Winter über in Tornor eingesperrt sein.«
    »Ich bin kein Bote«, sagte Sorren.
    »Du hast mir eine Botschaft überbracht«, sagte Merith. »Wenn du Tornor einen Dienst erweisen möchtest, könntest du eine Botschaft von mir an Tarn Ryth überbringen. Sag ihm, ich würde seine Grüße mit größerem Wohlwollen entgegennehmen, wenn sie von etwas Handgreiflicherem begleitet wären – etwa Getreide und Kleiderstoffen.« Sie machte kehrt und ging auf die Wohngemächer zu.
    Bedeuten dir denn die Wünsche deiner Tochter gar nichts? dachte Sorren. »Herrin, was willst du?« fragte sie.
    Merith sprach mit einer Stimme, so frisch und kalt wie der Neuschnee: »Ich will, daß Tornor Keep weiterbesteht, daß es überlebt. Ich will, daß die Leute im Dorf Wohlstand erleben. Ich will, daß Tarn Ryth Güter und Gold und Soldaten in den Norden schickt, und damit so etwas geschehen kann, muß Kedéra Dennis Ryth heiraten.«
    »Kannst du denn nicht mit Tarn Ryth über all das einen Handelsvertrag abschließen?«
    »Nein!« gab Merith zurück. »Der Rat der Häuser in Tezera würde sich jeglichem Vertrag widersetzen, den ich mit Tarn Ryth abschließe. Doch wenn Dennis Ryth und Kedéra heiraten, kann der Rat keine Einwände dagegen haben, wenn Tarn Ryth Wachen und Vorräte nach Tornor Keep entsendet.«
    »Werden sie dir denn nicht helfen?«
    »Die Adligen von Tezera?« Merith lachte. »Soll ich etwa zu denen kriechen und betteln? Da verhungere ich lieber. Tarn Ryth kam zu mir!« Der Schnee legte sich immer dichter auf ihr braunes Haar wie ein lockeres weißes Gewebe. Sorren sah sie, wie sie in zwanzig Jahren sein würde, klein und bleich und weißhaarig und verbittert. Plötzlich begriff sie, warum Tarn Ryth Tornor haben wollte. Sein Einfluß, seine Macht stammten vom Fluß, doch seine Kontrolle über den Fluß endete an der Grenze von Septh. Bis dorthin gingen seine Patrouillen. Aber wenn er Tornor in seinen Besitz bringen konnte, würde er die Kontrolle über den Flußlauf oberhalb und unterhalb von Tezera ausüben können, und das würde ihm eine sehr große Macht verleihen. Wenn er Tornor gewaltsam in Besitz zu nehmen versuchte, würde der Tezeraner Rat sich dem widersetzen, und es würde vielleicht Krieg geben. Aber gegen diese uralte Form eines Bündnisses, wie es eine Heirat war, vermochte der Rat nichts.
    Das ergibt einen Sinn. Sorren mußte schlucken. Es war so leicht, es zu durchschauen, sobald man nur wußte, wohin man schauen mußte. In ihrem siebenjährigen engen Leben mit Arré Med hatte sie einiges von dem politischen Geschick Arrés abgeguckt. Aber Arré war so unendlich weit weg und konnte ihr jetzt nicht helfen. »Könnten dir nicht die anderen Grenzfesten in deiner Not beistehen?« fragte sie.
    Merith war an der Tür zu den Kemenaten angelangt. »Sie befinden sich in genau der gleichen Lage«, antwortete die Frau. »Man sagt, daß Lord Meth von Zilia Keep ein Separatabkommen mit Anhard getroffen hat. Doch ich weigere mich, das zu glauben.« Sie spähte in den Burghof. Kedéra kehrte wieder zu ihnen zurück. »Wir werden davon nun nicht
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