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Die Brüder Löwenherz

Die Brüder Löwenherz

Titel: Die Brüder Löwenherz
Autoren: Astrid Lindgren
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mitansehen, wie der Dreizehnjährige seinen Bruder auf den Rücken nahm und sich mit ihm, während das Feuer hinter ihm loderte, ohne Zaudern aus dem Fenster stürzte. Bei dem Aufprall auf dem Erdboden verletzte sich der Knabe Jonathan so schwer, daß er fast unmittelbar darauf starb. Der jüngere Bruder Karl hingegen, den er bei dem Sturz mit seinem Körper geschützt hatte, kam unverletzt davon. Die Mutter der beiden Brüder, die zur Zeit des Geschehens eine Kundin besuchte - sie ist Schneiderin -, erlitt bei der Heimkehr einen schweren Schock. Die Ursache für das Entstehen der Feuersbrunst ist bisher noch ungeklärt.
    Auf einer anderen Seite der Zeitung stand mehr über Jonathan. Seine Lehrerin hatte es geschrieben. Dort hieß es:

    Lieber Jonathan Löwe, hättest du nicht eigentlich Jonathan Löwenherz heißen müssen l Weißt du noch, wie wir in der Schule im Geschichtsunterricht von einem mutigen englischen König namens Richard Löwenherz lasen ? Weißt du noch, wie du damals sagtest: »So mutig, daß später darüber in den Geschichtsbüchern berichtet wird, so mutig würde ich nie sein können.« Lieber Jonathan, selbst wenn in den Geschichtsbüchern nichts über dich geschrieben steht, so warst du im entscheidenden Augenblick doch ganz gewiß ebenso mutig, ganz gewiß warst auch du ein Held.
    Deine alte Lehrerin wird dich nie vergessen. Auch deine Kameraden werden deiner lange gedenken. In der Klasse wird es uns ohne unseren fröhlichen, hübschen Jonathan leer vorkommen.
    Aber wen die Götter lieben, den lassen sie jung sterben. Jonathan Löwenherz, ruhe in Frieden!
    Greta Andersson
    Jonathans Lehrerin ist ziemlich albern, aber sie hat Jonathan sehr gern gehabt genau wie alle anderen. Und daß sie sich das mit dem Namen Löwenherz ausgedacht hat war gut, wirklich gut!
    In der ganzen Stadt gibt es bestimmt keinen einzigen Menschen, der nicht um Jonathan trauert und der es nicht besser gefunden hätte, wenn ich statt seiner gestorben wäre. Das ist mir durch all die Frauen klargeworden, die hier dauernd mit ihren Stoffen und Spitzen und all dem Krimskrams angelaufen kommen. Wenn sie durch die Küche gehen, sehen sie mich an und seufzen und sagen dann zu Mama:
    »Arme Frau Löwe! Ausgerechnet Jonathan, der so etwas Besonderes war!«
    Jetzt wohnen wir im Haus nebenan in genau so einer Wohnung, nur daß sie im Erdgeschoß liegt. Von der Fürsorge haben wir ein paar gebrauchte Möbel bekommen, und auch die Frauen haben uns allerlei geschenkt. Ich liege auf fast der gleichen Bank wie früher. Alles ist fast genauso wie früher. Und alles, aber auch alles ist anders als früher! Denn hier gibt es keinen Jonathan mehr. Niemand sitzt abends bei mir und erzählt mir etwas, ich bin so allein, daß es in der Brust weh tut.
    Und mir bleibt nichts anderes übrig, als die Worte leise vor mich hin zu sagen, die Jonathan kurz vor seinem Tode sprach, als wir beide nach dem Sprung auf der Erde lagen. Zuerst lag er mit dem Gesicht nach unten da, aber dann drehte ihn jemand auf den Rücken, so daß ich sein Gesicht sah. Aus dem einen Mundwinkel floß ein wenig Blut und er konnte kaum sprechen. Doch es schien, als versuchte er trotzdem zu lächeln, und er brachte ein paar Worte hervor. »Weine nicht Krümel, wir sehen uns in Nangijala wieder!«
    Nur diese Worte hat er gesagt sonst nichts. Dann schloß er die Augen, und es kamen Leute und trugen ihn fort, und ich habe ihn nie wiedergesehen.
    In der ersten Zeit danach wollte ich mich einfach nicht daran erinnern. Doch etwas so Schreckliches und Schmerzliches läßt sich nicht vergessen. Ich habe hier auf meiner Bank gelegen und an Jonathan gedacht, bis ich glaubte, der Kopf werde mir zerspringen; mehr als ich mich nach ihm gesehnt habe, kann man sich nicht sehnen. Angst habe ich auch gehabt. Mir kam der Gedanke: Wenn es nun nicht wahr ist, dies mit Nangijala! Wenn es nur einer von den vielen lustigen Einfällen war, die Jonathan so oft hatte. Ich habe viel geweint, ja, das habe ich. Aber dann kam Jonathan und tröstete mich. Er kam, und alles war beinahe wieder gut. Selbst dort in Nangijala wußte er wohl, wie es mir ohne ihn erging, und meinte, er müsse mich trösten. Deshalb ist er zu mir gekommen, und jetzt bin ich auch nicht mehr so traurig, jetzt warte ich nur noch. Er kam eines Abends vor nicht allzu langer Zeit. Ich war allein zu Hause und lag da und weinte und war so ängstlich und so unglücklich und krank und elend, wie es sich gar nicht sagen läßt. Das
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