Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Brüder Karamasow

Die Brüder Karamasow

Titel: Die Brüder Karamasow
Autoren: Fëdor Michajlovic Dostoevskij
Vom Netzwerk:
sich davon überzeugt hatte, daß nun alles getan und die Brotkrümel gestreut waren, drehte er sich auf einmal unerwartet und ganz ruhig um und machte sich auf den Weg nach Hause. Sein Schritt wurde immer schneller und eiliger; er lief beinahe. Aber die Jungen und Aljoscha wichen nicht von seiner Seite.
    »Ich will Mamachen die Blumen bringen! Ich will Mamachen die Blumen bringen! Mamachen hat sich gekränkt gefühlt«, sagte er auf einmal. Jemand rief ihm zu, er möchte doch den Hut aufsetzen, da es jetzt kalt sei. Als er das hörte, schleuderte er seinen Hut wie im Zorn in den Schnee und sagte: »Ich will keinen Hut, ich will keinen Hut!« Der kleine Smurow hob den Hut auf und trug ihn ihm nach. Alle Jungen ohne Ausnahme weinten, am meisten Kolja und der, der Troja entdeckt hatte. Obgleich Smurow, den Hut des Stabskapitäns in der Hand, ebenfalls schrecklich weinte, fand er doch noch Zeit, nahezu im Laufen ein Stück Ziegelstein, das auf dem Weg im Schnee lag, aufzuheben und damit nach einem vorüberfliegenden Schwarm Spatzen zu werfen. Er traf allerdings keinen und lief weiter und weinte weiter. Auf halbem Weg machte Snegirjow plötzlich halt, blieb etwa eine halbe Minute lang stehen, als ob ihm etwas eingefallen wäre, drehte sich dann zur Kirche um und lief zu dem Grab zurück. Doch rasch hatten ihn die Jungen eingeholt und hängten sich von allen Seiten an ihn. Da ließ er sich kraftlos, wie vom Leid niedergedrückt, in den Schnee sinken und begann, um sich schlagend, weinend und schluchzend zu schreien: »Väterchen, Iljuschetschka, liebes Väterchen!« Aljoscha und Kolja hoben ihn auf und versuchten, ihn durch Bitten und Zureden zu beruhigen.
    »Hören Sie auf, Kapitän! Ein Mann hat die Pflicht, auch das zu ertragen«, murmelte Kolja.
    »Sie zerdrücken ja die Blumen«, fügte Aljoscha hinzu. »Mamachen wartet darauf, sie sitzt da und weint, weil Sie ihr vorhin keine Blumen von Iljuschetschka gegeben haben. Da steht auch noch Iljuschas Bettchen ...«
    »Ja, schnell zu Mamachen!« sagte Snegirjow, sich plötzlich wieder erinnernd. »Sie werden sonst das Bettchen wegräumen!« fügte er hinzu, als fürchte er wirklich, man könnte es wegräumen, sprang auf und lief wieder seiner Wohnung zu.
    Es war nicht mehr weit, und alle kamen gleichzeitig dort an. Snegirjow machte hastig die Tür auf und rief seiner Frau, zu der er kurz vorher so grob gewesen war, laut zu: »Mamachen, liebes Mamachen, Iljuschetschka schickt dir Blumen, deine Füße sind doch krank!« Er hielt ihr seine Handvoll Blumen hin, die unter der Kälte gelitten hatten und arg zerdrückt worden waren, als er sich soeben im Schnee gewälzt hatte.
    Doch im selben Augenblick erblickte er vor Iljuschas Bett in der Ecke Iljuschas Stiefelchen, die beide nebeneinanderstanden; die Hauswirtin hatte sie eben erst beim Aufräumen dorthin gestellt. Es waren alte, steif gewordene Stiefelchen mit zahlreichen Flicken. Bei ihrem Anblick warf er die Arme in die Höhe, stürzte in dieser Haltung auf sie zu, warf sich auf die Knie, nahm das eine Stiefelchen, preßte seine Lippen darauf, küßte es leidenschaftlich und rief – »Väterchen, Iljuschetschka, liebes Väterchen, wo sind deine Füßchen?«
    »Wo hast du ihn hingetragen? Wo hast du ihn hingetragen?« heulte das »Mamachen« mit herzzerreißender Stimme; dann schluchzte auch Ninotschka los. Kolja lief aus dem Zimmer, ihm folgten die anderen Jungen und schließlich auch Aljoscha.
    »Sollen sie sich ausweinen!« sagte er zu Kolja. »Trösten kann man da natürlich nicht. Wir wollen ein Weilchen weggehen und dann wiederkommen.«
    »Ja, trösten kann man da nicht, das ist furchtbar«, stimmte ihm Kolja zu. »Wissen Sie, Karamasow ...«, fügte er plötzlich leiser hinzu, damit es niemand hörte. »Mir ist sehr traurig zumute, und ich würde alles in der Welt darum geben, wenn man ihn wieder ins Leben zurückrufen könnte.«
    »Oh, ich auch!« erwiderte Aljoscha.
    »Wie denken Sie darüber, Karamasow: Sollen wir heute abend hingehen? Er wird sich betrinken.«
    »Das wird er vielleicht tun. Wir beide wollen allein hingehen und ein Stündchen bei ihnen sitzen, bei der Mutter und Ninotschka, das genügt. Wenn wir alle zusammen hingehen, rufen wir ihnen alles wieder ins Gedächtnis zurück«, riet Aljoscha.
    »Die Hauswirtin deckt jetzt den Tisch bei ihnen, es wird wohl ein Totenmahl geben, und der Pope wird kommen. Sollen wir gleich wieder umkehren, Karamasow?«
    »Unbedingt«, antwortete Aljoscha.
    »Sonderbar ist
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher