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Die Botschaft Der Novizin

Die Botschaft Der Novizin

Titel: Die Botschaft Der Novizin
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konnte.
    Da meldete sich Suor Anna mit schwacher Stimme: » Er hat das Manuskript! Ihr müsst es holen. Im Namen der Custodes Do minae müsst Ihr es holen!« Sie drückte ihr Kind an die Brust und rieb es mit langsamen Bewegungen warm.
    »Wir müssen ohnehin ins Kloster. Die Frauen brauchen trockene Kleidung«, mischte sich jetzt der Pater ein.
    Isabella wandte sich von Signora Artella ab. »Suor Anna. Wer ist der Vater des Kindes?«
    Die Chornonne sah hoch und wich dem Blick der Educanda nicht aus.
    »Es ist ... «, sagte sie und musste sich räuspern, »... es ist Gerolamo!«
    Isabella trocknete der Mund aus, so überrascht war sie, und
doch sagte ihr Suor Anna nichts, was sie nicht schon geahnthatte. Deshalb war ihr die Stimme damals so bekannt vorgekommen, als sie gelauscht hatte. »Ihr meint Gerolamo Querine? Den Patriarchen von Venedig!«
    Anna lächelte, als wüsste sie von einem Geheimnis. »Er ist zuerst und vor allem ein Mann!«, antwortete sie sanft. Sie drückte das Kind fester an sich und küsste es auf den Scheitel. Doch für Isabella tat sich ein Abgrund auf.
    »Der Patriarch also!«, entfuhr es dem Pater. Sein Blick kreuzte sich kurz mit dem Isabellas. Sie dachten offenbar dasselbe: Dann war Querine auch die dunkle Gestalt, die für den Tod der Frauen verantwortlich war. »Ist er noch im Kloster?«
    Isabella erinnerte sich, dass der Patriarch kein Zimmer im Kloster bezogen hatte. »Er hat nur das Verhörzimmer«, sagte sie tonlos. »Vielleicht ist er dort.«
    »Rasch!«, drängte der Pater, doch Marcello versuchte abzuwiegeln. Ob man sich nicht zuerst um trockene Kleidung und etwas Warmes für die Kleine bemühen solle, bemerkte er, und Isabella öffnete diese Fürsorglichkeit das Herz. Sie nickte und huschte aus dem Dickicht heraus, das von dem Feigenbaum gebildet wurde.
    Das Portal war geschlossen, als wäre nie jemand von draußen nach drinnen gelangt. Isabella wunderte sich, sagte jedoch nichts. Wenn der Patriarch durch diese Pforte ins Kloster geschlichen wäre, dachte sie, hätte er doch den Schlüssel mitnehmen müssen, außer er hätte ... Isabellas Gedanken stockten und wollten nicht weiterfließen ... außer er hätte einen Komplizen besessen, der hinter ihm abgeschlossen hatte. Dafür kamen im Moment nur zwei Personen in Frage: Signora Artella und Marcello. Nur diese beiden befanden sich noch außerhalb des Klosters.
    Ihr Kopf schwirrte. In die kühle Morgenluft, die im hinteren Schattengarten noch kälter wirkte, stahl sich kein Sonnenstrahl. Die Menschen froren in ihren feuchten Gewändern. Isabella dachte mit Schaudern daran, wieder in das dumpfe Inneredes Konvents zurückzumüssen. Das Portal im Schatten der Nordseite schreckte ab. Doch sie waren so weit gekommen, jetzt wollte sie das Manuskript sehen.
    Isabella holte den Schlüssel aus dem Versteck. Wieder staunte sie darüber, dass er an Ort und Stelle lag. Besaß der Patriarch womöglich einen eigenen Schlüssel?
    Energisch drehte sie den Schlüssel im Schloss und stieß die Tür auf. Jetzt war es ihr gleich, wer sie dort drinnen erwartete. Sollten die Custodes Dominae sie aufhalten wollen! Sie musste wissen, ob ihre Vermutung der Wahrheit entsprach. Der Patriarch von Venedig nicht nur der Vater der kleinen Francesca, sondern auch ein Mörder aus Gier! Sie achtete nicht darauf, ob die anderen ihr folgten, ob Marcello und der Pater sie begleiteten. Sie drückte die Pforte auf und hastete ins Innere, lief die Gänge entlang, immer darauf gefasst, von irgendjemandem aufgehalten zu werden. Doch nichts geschah. Zwar standen an allen Ecken Nonnen, zwar folgten ihr misstrauische, irritierte oder gar feindselige Blicke, und einmal sah sie sogar zwei Chornonnen als Wachen, mit Armbrüsten in der Hand, doch niemand stellte sich ihr in den Weg.
    Endlich stand sie vor der Tür zum Verhörzimmer des Patriarchen, völlig außer Atem, nass und erschöpft und voller Wut. Ohne zu klopfen, drückte sie die Klinke und stieß die Tür so heftig auf, dass sie gegen die Wand schlug. Zwei Köpfe wandten sich ihr zu. Isabella sah den Patriarchen, wie er sich sitzend über eine schwarze Metallkassette beugte, die er erbrochen hatte. Eine zweite Gestalt stand neben ihm.
    Isabella konnte sich nicht rühren und suchte nach Worten. Es war, als verweigerte ihr der Verstand den Zugang zur Sprache. Mehrmals setzte sie an, um das Wort über ihre Lippen zu bringen, das sich nicht von der Stelle bewegen wollte. Endlich tropfte es wie zäher Speichel aus ihrem
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