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Die Bibliothek der Schatten Roman

Die Bibliothek der Schatten Roman

Titel: Die Bibliothek der Schatten Roman
Autoren: Mikkel Birkegaard
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Jon zu Remer übergesprungen, wand sich wie eine unbezähmbare Schlange zwischen den beiden hin und her und nahm stetig an Umfang und Intensität zu. Durch Remers Körper ging ein Zittern, er krümmte sich leicht, nahm aber keine Sekunde den Blick von dem Buch, in dem er las.
    Mehrere Anwesende brachen in Panik aus. Mehrere versuchten, Richtung Tür zu fliehen, aber in der Aufregung stolperten einige und wurden von den Nachfolgenden niedergetrampelt. Ein paar ganz Waghalsige hangelten sich über das Geländer in das darunterliegende Stockwerk. Andere drängten sich auf dem Boden zusammen oder suchten an den Wänden und hinter den Säulen Schutz.
    Remers Gesicht war wie von Schmerz verzerrt, aber er las unverdrossen weiter und krümmte sich nahezu um sein Buch, als wollte er es mit dem Körper beschützen.
    Um das Rednerpult standen immer noch etwa 100 Personen, die an dem Ritual teilnahmen, indem sie selbst lasen oder die Lesenden unterstützten. Die meisten warfen ängstliche Blicke auf Remer und Jon, ehe sie sich wieder dem Text zuwandten.
    Es roch verbrannt, und die Luft war so mit Elektrizität aufgeladen,
dass sich die Haare auf Katherinas Armen aufrichteten.
    Die Flamme zwischen Jon und Remer verblasste nun und bewegte sich ruhiger. Remer richtete sich langsam auf, und der Ausdruck von Schmerz verschwand aus seinem Gesicht.
    Katherina entfernte sich unauffällig vom Rednerpult, wobei sie versuchte, Jon weiter zu unterstützen. Sie sah sich um. Warum tauchten nicht endlich die anderen beiden auf? Es war zu spät, die Reaktivierung zu stoppen, aber noch hatten sie eine Chance, sie einzugrenzen. Sie erreichte eine Säule und drückte sich dagegen. Etliche Lettori rannten an ihr vorbei zum Ausgang. Die Angst stand ihnen ins Gesicht geschrieben. Katherina strengte sich an, alles andere beiseitezuschieben und sich ganz auf Jon zu konzentrieren.
    Ein Lettore, der als einer der Letzten reaktiviert worden war, stieß einen Schrei aus und brach ohne Vorwarnung zusammen. Er hatte weder Zeichen von Schwäche noch von Schmerz gezeigt. Katherina vermutete, dass es jeden treffen konnte.
     
    Links und rechts von Remer bildeten sich zwei neue Nebelwolken. Sie waren bereits als Menschen zu erkennen, waren aber noch nicht voll entwickelt.
    Remer lächelte.
    Jon spürte einen Ruck zwischen den Bildern, ein Signal von Katherina, das er als Warnung interpretierte. Er spürte ihre Unterstützung wachsen und sammelte all seine Kräfte. Die Wolkendecke wurde pechschwarz, und der Wind pfiff über den Friedhof. Grabsteine kippten um und rissen Erdbrocken hoch, die in kleinen Tornados durch die Luft wirbelten.
    Remer würde er nicht noch einmal austricksen können, aber die beiden Neuankömmlinge sollten eine Überraschung erleben. Ehe sie voll ausgeformt waren, schraubte Jon alle Effekte um die Gestalten herum nach oben. Er würde sie ausradieren und wie einen Tippfehler aus der Geschichte entfernen.
Sie begannen, sich aufzulösen, doch während der eine schnell vom Tornado mitgerissen wurde, hielt der andere durch.
    Remer lächelte nicht mehr. Sein Blick wanderte zwischen seinem Begleiter und Jon hin und her.
    Plötzlich änderte der Grabstein neben Jon seine Form. Der Schreck riss ihn aus seiner Konzentration. Vor seinen Augen verflüssigte sich der Granit, und der rechteckige Stein formte sich zu einem Kreuz.
    Jon sah sich verwirrt um. Um ihn herum gingen mehrere solcher Veränderungen vor: Gitter wuchsen aus dem Boden, an einigen Stellen wuchs die Bepflanzung, an anderen verschwand sie. Der Himmel begann zu leuchten, und der Wind verebbte.
    »Ist das nicht fantastisch!«, rief Remer hingerissen und streckte die Arme in die Luft.
    Die Gestalt neben ihm hatte nun ihre endgültige Form angenommen. Jon erkannte einen der Lettori wieder, den er im Foyer begrüßt hatte. Der Neuankömmling sah sich verwundert um. Hinter ihm bildeten sich drei neue Nebelgestalten.
    Remer lachte. »Sie haben keine Chance, Campelli«, rief er. »Geben Sie auf.«
    »Wieso?«, antwortete Jon. »Sie haben doch bereits bekommen, was Sie brauchen.«
    »Wohl wahr«, räumte Remer ein. »Aber wir hätten nach wie vor Bedarf für jemand wie Sie im Orden.« Er breitete die Arme aus. »Sehen Sie doch nur, was wir zusammen ausrichten können.«
    »Sie haben mich belogen«, fauchte Jon. »Mich gezwungen, meine Leute zu verraten.«
    »Sie haben es bereits in sich getragen, Campelli. Ich habe es bloß ans Licht gebracht.«
    Die drei Gestalten hinter ihm nahmen
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