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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)
Autoren: Joelle Charbonneau
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die mit zu viel Wissen einhergeht.
    Beim Klang einer männlichen Stimme schrecke ich zusammen und sehe mich hektisch um, woher sie kommt. Ich brauche eine Minute, ehe mir klar wird, dass sie aus dem Gerät stammt, das ich mit meinen Händen umklammere.
    »Das Erdreich in Sektor vier zeigt Anzeichen von Fruchtbarkeit und ist beinahe frei von Strahlung. Die neue chemische Formel scheint ihre Wirkung zu entfalten.«
    Zeen. Seine Stimme ist kräftig und gesund und so wunderbar vertraut. Mein Herz schmerzt vor Sehnsucht. Anscheinend habe ich einen Knopf gedrückt, sodass Zeens aufgenommene Stimme abgespielt wurde. Der Transit-Kommunikator ist also auch ein Rekorder.
    »Ich muss Dad sagen, dass es in Sektor sieben kranke Tiere gibt. Vielleicht liegt das an den Beeren, die wir dort gezüchtet haben. Wir sollten Tests machen.«
    Ich erinnere mich daran, wie wir beim Abendessen über dieses Problem sprachen, ungefähr eine oder vielleicht auch zwei Wochen vor meinem Schulabschluss. Mein Vater und meine Brüder stritten, lachten und diskutierten bis spät in die Nacht hinein, und auch ich durfte meine eigenen Ideen zu dem Problem beisteuern. Wie erwachsen ich mich an jenem Abend fühlte, wie eingebunden! Ich glaubte, ich wäre bereit, in die Welt hinauszugehen. Wie dumm ich doch in Wahrheit war!
    Eine Weile bin ich zufrieden damit, der Stimme von Zeen zu lauschen, der seine Gedanken zu den Sektionen außerhalb von Five Lakes festhält, in denen mein Vater und sein Team an der Revitalisierung arbeiten. Ein verärgerter Ausruf bringt mich zum Lachen. Wenn Zeen meinen Vater oder meine Brüder erwähnt, kommen mir die Tränen. Und ich frage mich: Wie mag dieses Aufnahmegerät funktionieren? Ich weiß, dass der Kommunikator Kontakt mit dem Empfänger herstellen kann, den Dad in seinem Büro hat, aber ich kann mich nicht daran erinnern, dass Dad etwas von einer Doppelfunktion als Rekorder erwähnt hätte.
    Es dauert eine ganze Weile, bis ich den Knopf entdecke. Da ist eine kleine Stelle auf der Rückseite, die aussieht, als gehöre sie zum Gehäuse, die aber zu etwas anderem umgebaut wurde. Zu etwas, das ursprünglich nicht zu diesem Gerät gehörte. Etwas, das Zeen sich hat einfallen lassen.
    Mithilfe des Schraubenziehers an meinem Taschenmesser gelingt es mir, die Sache genauer zu untersuchen. Ich muss unwillkürlich lächeln, als ich den Einfallsreichtum meines Bruders bewundere. Ein winziges schwarzes Kästchen ist zwischen den Drähten und Platinen untergebracht. An der Art, wie Zeen die Kabel getrennt und neu verbunden hat, schließe ich, dass das Ausgangsmikrofon nun dazu dient, Stimmen aufzunehmen. Die Hörmuschel hat er zum Lautsprecher beim Abspielen umfunktioniert. Alles fügt sich nahtlos ineinander. Hätte ich das Gerät nicht so traurig umklammert und dabei versehentlich den Wiedergabeknopf betätigt, hätte ich niemals geahnt, dass ich ein Aufnahmegerät in den Händen halte.
    Ich bekomme einen Schrecken, als es draußen klopft. Sorgfältig verstaue ich das Gerät wieder in meiner Tasche, gehe in den Schlafraum zurück, in dem es inzwischen dunkel geworden ist, und öffne die Tür. Die Frau, die auf der Schwelle steht, hält ein Tablett in den Händen und hat einen besorgten Ausdruck auf ihrem Gesicht. »Ist hier drinnen alles in Ordnung?«, fragt sie.
    Ich schätze, mein Verschwinden im Badezimmer ist nicht unbemerkt geblieben.
    »Mit mir ist alles okay«, versichere ich ihr, doch die Aufregung und das Durcheinander weiter unten auf dem Flur lassen mich vermuten, dass das bei jemand anders ganz anders aussieht. Hat erneut ein Kandidat dem Druck auf die gleiche Weise ein Ende gesetzt wie Ryme? Obwohl es mich nicht mehr interessieren sollte, mache ich mir um Tomas Sorgen. Ich kann nicht anders. Egal wie sehr ihn die Auslese verändert haben mag, er wird doch immer der Junge von zu Hause sein, der zu jedem lieb war. Ich will, dass er am Leben bleibt.
    Die Offizielle reicht mir das Tablett mit meinem Abendbrot, teilt mir mit, dass die Entscheidung immer noch ausstehe, und verschließt erneut die Tür. Zum ersten Mal macht mir die Einsamkeit nichts aus. Ich esse vom Hühnchen, das in köstlicher Tomatensoße schwimmt, und dazu frisches Gemüse, ehe ich mich wieder im Badezimmer einschließe.
    Eine Weile lasse ich mich von Zeens Stimme trösten, die die täglichen Aufgaben festhält, um die er sich kümmern muss. Aber die Tatsache, dass ein anderer Prüfling anscheinend Selbstmord begangen hat, lässt mich schon bald
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