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Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)

Titel: Die Auslese: Nur die Besten überleben - Roman (German Edition)
Autoren: Joelle Charbonneau
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bewusst, und ich lege jedes Wort auf die Goldwaage.
    Als er schließlich wieder an der Reihe ist, fordert er mich auf: »Erzähl uns etwas über deine Beziehung zu Tomas Endress.«
    Ich bin überrascht. Vorsichtig beginne ich: »Wir zwei sind enge Freunde. Er sagt, er würde mich lieben, aber ich denke, das liegt daran, dass ich ihn an zu Hause erinnere.«
    »Ganz sicher empfindest du doch ebenfalls mehr als nur freundschaftliche Gefühle für Tomas Endress. Warum sonst hättest du dein Leben aufs Spiel setzen und dir die Zeit nehmen sollen, ihn zu retten?«
    Ich beiße mir auf die Unterlippe und zerbreche mir den Kopf, was Dr. Barnes wohl hören will. Schließlich sage ich: »Meine Familie hat mich gelehrt, anderen Menschen um jeden Preis zu helfen. So machen wir das in der Five-Lakes-Kolonie.«
    Dr. Barnes beugt sich vor. »Denkst du, es war eine kluge Entscheidung, so viel Zeit zu opfern, um dein Fahrrad umzubauen, damit du das Leben von Tomas Endress retten kannst?«
    »Es hat funktioniert«, entgegne ich. »Wir beide haben überlebt.«
    »Ja. Das habt ihr.« Er lächelt. »Aber ich mache mir Sorgen, du könntest zu sehr am Kandidaten Endress hängen.«
    Sein wohlmeinender Ton kann die Drohung hinter seinen Worten nicht übertünchen. Selbst die Offiziellen, die neben Dr. Barnes sitzen, rutschen unruhig auf ihren Stühlen herum. Die Stille zwischen uns wiegt schwer, und ich bekomme kaum noch Luft. Ich muss irgendetwas sagen, obwohl er gar keine Frage gestellt hat. Aber ohne zu wissen, was hinter seiner Frage steckt, gibt es keine Chance, die richtige Antwort zu finden. Und irgendetwas sagt mir, dass diese Antwort die wichtigste von allen ist.
    Schließlich wird das Schweigen unerträglich, und ich räume ein: »Ich glaube, ich verstehe die Frage nicht richtig.«
    »Eine emotionale Verstrickung kann in solchen Situationen zum Problem werden. Was zum Beispiel wird passieren, wenn du für die Universität ausgewählt wirst, Tomas Endress jedoch nicht?«
    Mein Herz schlägt mir bis zum Hals. »Dann werde ich mich für mich freuen und enttäuscht sein, weil das Prüfungskomitee Tomas’ Potenzial nicht erkannt hat. Er ist klug und einfallsreich. Das Vereinigte Commonwealth würde davon profitieren, wenn er die Chance bekäme, die Universität zu besuchen.«
    »Müssen wir uns Sorgen machen, dass deine Enttäuschung Auswirkungen auf deine Leistungen an der Universität haben könnte?«
    Was soll ich auf diese Frage antworten? Meine Gedanken rasen. Was auch immer ich sage, wird nicht nur mein zukünftiges Leben beeinflussen, sondern auch das von Tomas. Zu sagen, dass es mir egal wäre, wäre eine leicht zu durchschauende Lüge. Immerhin hat Dr. Barnes selbst darauf hingewiesen, dass ich Tomas’ Leben gerettet habe, indem ich mein eigenes riskiert habe. Das Wahrheitsserum, das sie mich haben trinken lassen, ist dazu gedacht, jede Lüge unmöglich zu machen. Wenn ich ihnen jetzt also ganz offensichtlich nicht die Wahrheit sage, dann werden sie wissen, dass irgendetwas schiefgelaufen ist, und sich nach dem Grund dafür fragen. Ich widerstehe dem Drang, mir meine schweißnassen Handflächen an der Hose abzuwischen, und zwinge mich dazu, mich zu konzentrieren.
    Mir fällt nur eine Antwort ein: »Alle Anführer werden irgendwann an einen Punkt kommen, an dem sie eine Enttäuschung verkraften müssen. Wenn für mich der Moment jetzt schon da ist, dann freue ich mich darüber natürlich nicht, aber ich werde mein Bestes geben, das Commonwealth nicht zu enttäuschen.«
    Die anderen Offiziellen wechseln Blicke, während ich abwarte, was Dr. Barnes als Nächstes einfällt. Er mustert mich eindringlich und rollt dabei seinen Bleistift auf der Tischplatte vor sich hin und her. Ich bewege mich nicht und halte stumm den Augenkontakt. Jemand im Raum hustet. Ein anderer räuspert sich. Dies sind die einzigen Geräusche, während die Minuten verstreichen.
    Endlich sagt Dr. Barnes: »Ich denke, wir haben alle Informationen bekommen, die wir brauchen. Oder hat einer meiner Kollegen noch eine Frage?«
    Alle Offiziellen am Tisch schütteln die Köpfe, was mich vollkommen durcheinanderbringt. Dr. Barnes hat uns gesagt, die Evaluation könnte fünfundvierzig Minuten dauern. Ich bezweifle, dass mehr als zwanzig Minuten vergangen sind, seitdem ich diesen Raum betreten habe. Die Prüfer haben mein Abschneiden während der ersten beiden Tests mit keinem Wort erwähnt und auch nur eine Handvoll Fragen zum vierten Prüfungsabschnitt gestellt.
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