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Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)

Titel: Die Akte Vaterland: Gereon Raths vierter Fall (German Edition)
Autoren: Volker Kutscher
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Kalkstein und glänzendem Marmor. Er wusste, dass er Charly vorhin beeindruckt hatte; die Wohnung gefiel ihr, das hatte er an ihren Augen gesehen.
    Er hatte dieses moderne Appartement vor allem aus einem Grund gemietet: Weil es beinahe doppelt so groß war wie seine alte Hinterhauswohnung in Kreuzberg und genügend Platz bot für zwei Personen und wenn nötig auch für mehr.
    Dass irgendetwas nicht stimmte, spürte er schon, während er die fünf teppichbesetzten Stufen zur Eingangshalle hochstieg und er das Tapsen von Hundepfoten hörte und dann zweimal ein kurzes Bellen. Kiries schwarzer Kopf schaute um die Ecke des Tresens, der Pförtner ein wenig verlegen über die Marmorplatte und sein Telefon hinweg dem neuen Bewohner entgegen.
    »Was ist denn los, Bergner?«, fragte Rath, obwohl er es ahnte.
    Der Portier räusperte sich, bevor er sprach. »Die junge Dame … Sie musste leider aufbrechen und hat mir den Hund anvertraut.«
    Bergner löste die Leine von Kiries Halsband, und Rath ließ die feuchte Begrüßung des Hundes über sich ergehen.
    »Wo ist die junge Dame denn hin?«
    »Bedaure, aber das hat sie nicht gesagt.«
    »Soso«, sagte Rath, der mit den Gedanken schon ganz woanders war und mit dem Hund zum Aufzug ging.
    Charlys Duft lag immer noch in der Luft, und gerade deswegen wirkte die Wohnung leerer als sonst. Kirie schien das nicht zu interessieren, sie tapste zu ihrem Körbchen und rollte sich zusammen. Rath fragte sich manchmal, wie viel Schlaf dieser Hund eigentlich brauchte. Er stellte sich an eines der großen Fenster und schaute hinaus, ohne etwas wahrzunehmen. Dann holte er aus und trat, vor Wut oder Enttäuschung, so genau konnte er das gar nicht sagen, gegen einen der schweren Sessel.
    Sie hatte das Frühstück bereits abgedeckt. Auf dem Tisch fand er ein Blatt Papier mit ihrer Handschrift.
    Entschuldige, Gereon,
    aber ich konnte nicht länger auf Dich warten. Eine Stunde immerhin habe ich geschafft, aber je länger ich mit Kirie in Deiner schönen neuen Wohnung saß und Du nicht zurückkamst, desto klarer wurde mir, daß ich zum Nachhausekommen nach so langer Zeit in der Fremde erst einmal in die Spenerstraße muß, in meine eigene Wohnung – zumal am Montag ein völlig neuer Lebensabschnitt auf mich wartet.
    Der nette Portier hat mir mit dem Gepäck geholfen und Kirie übernommen. Er scheint darin schon Übung zu haben, mit dem Hund, meine ich, so kam es mir jedenfalls vor.
    Ich bin nur noch schnell zurück in die Wohnung, um Dir diese Zeilen zu schreiben, das Taxi wartet unten schon. Was Deine Frage betrifft und den Ring … Sei mir nicht böse, daß ich Dir nicht gleich eine Antwort geben konnte. Versteh mich bitte nicht falsch, das hat mich sehr berührt, daß Du mir einen Antrag machst (nach all den Jahren, die wir uns nun kennen!), aber auf so eine wichtige Frage sollte man keine überhastete Antwort geben, finde ich, und jetzt, wo ich nach zehn Monaten in Paris gerade erst vom Bahnhof gekommen bin, wäre mir alles in gewisser Weise überhastet vorgekommen. Dich wiederzusehen nach so langer Zeit, eine neue Wohnung und dann auch noch ein Heiratsantrag – das ist selbst für ein Mädchen aus Moabit ein bißchen viel auf einmal.
    Ich würde vorschlagen, daß wir uns für meine Antwort einen günstigeren Zeitpunkt und einen passenderen Ort aussuchen. Und daß wir ein bißchen Zeit mitbringen, denn in meiner Antwort, soviel kann ich Dir jetzt schon sagen, geht es nicht nur um Ja oder Nein. Und auch ich werde Dir ein paar Fragen stellen müssen.
    Ich weiß, das klingt nicht gerade romantisch, aber nichts ist schlimmer als ein übereilter Entschluß in einer solch wichtigen Frage. Ich habe schon einmal eine Verlobung auflösen müssen, wie du weißt, das möchte ich nicht noch einmal erleben.
    Nichts für ungut, fühl Dich von mir gedrückt.
    Wir sehen uns bald
    C.
    Rath faltete den Brief zusammen und ging ins Schlafzimmer, als sei Charly womöglich doch noch da, wo er sie vor knapp zwei Stunden verlassen hatte. Das Erste, was ihm auffiel, war das Bett, das sie wieder glatt gestrichen haben musste, als wolle sie ihm zeigen, welch gute Hausfrau sie war. Der Ring lag auf dem Nachttisch. Was hatte das zu bedeuten? War das schon eine Antwort, dass sie den Ring nicht mitgenommen, sondern genau dort liegen gelassen hatte? Er hob ihn auf und betrachtete ihn. Was sollte er nun damit tun? Ihn zum nächsten Rendezvous einfach mitnehmen, ihre Antwort abwarten und ihr dann gegebenenfalls anstecken? Rath
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