Die Ajima-Verschwörung
Antwort. Steen betrat wieder den Kartenraum.
Sakagawa saß totenbleich da und atmete schwer.
Er sah auf und keuchte bei jedem Wort. »Der vierte Knopf… klingelt den Maschinenraum an.«
»Was fehlt Ihnen?« fragte Steen besorgt.
»Weiß nicht. Ich… fühle… mich… entsetzlich… zweimal gekotzt.«
»Halten Sie durch«, knurrte Steen. »Ich hole die anderen. Wir machen, daß wir von diesem Todeskahn runterkommen.« Er schnappte sich das Telefon und rief im Maschinenraum an.
Keine Antwort. Angst stieg in ihm auf. Die Angst vor etwas Unbekanntem, das gegen sie losschlug. Er spürte, wie der Gestank des Todes das ganze Schiff durchdrang.
Steen warf einen schnellen Blick auf das Diagramm der Decks, das an einem Schott befestigt war, und sprang dann, sechs Stufen auf einmal nehmend, den Niedergang hinunter. Er wollte auf die weitläufigen Stauräume, die die Autos bargen, zulaufen, doch die Übelkeit verkrampfte seinen Magen, und er schwankte durch die Gänge wie ein Betrunkener durch eine Hinterhofgasse.
Zuletzt stolperte er durch den Eingang des Ladedecks C. Vor und hinter ihm erstreckte sich hundert Meter weit ein Meer von Autos in allen Farben. Erstaunlicherweise standen sie trotz der Erschütterung durch den Sturm und der Schlagseite alle noch an ihrem Platz.
Steen brüllte laut nach Midgaard, und seine Stimme wurde von den stählernen Schotts zurückgeworfen. Doch Schweigen war die einzige Antwort. Dann entdeckte er es; es fiel auf wie ein Mann, der mitten in einer Menschenmenge ein Schild hochhält.
Bei einem der Wagen war die Motorhaube geöffnet.
Er stolperte zwischen den langen Reihen hindurch, knallte gegen Türen und Kotflügel und stieß mit den Knien gegen vorstehende Stoßstangen. Während er sich dem Wagen mit der offenen Motorhaube näherte, rief er wieder: »Ist hier jemand?«
Diesmal hörte er ein schwaches Stöhnen. Mit zehn Schritten hatte er den Wagen erreicht und blieb beim Anblick Midgaards, der neben einem Reifen lag, wie angewurzelt stehen.
Das Gesicht des jungen Seemanns war mit eiternden Schwären bedeckt. Aus seinem Mund rann eine Mischung aus Speichel und Blut. Seine Augen starrten ins Leere. Die Arme waren, als Folge innerer Blutungen, purpurrot. Er schien vor Steens Augen zu zerfallen.
Steen sackte voller Entsetzen gegen den Wagen. Hilflos und verzweifelt barg er seinen Kopf in den Händen und merkte, wie ihm büschelweise das Haar ausfiel, als er ihn sinken ließ.
»Warum, um Gottes willen, sterben wir?« flüsterte er und sah seinen eigenen gräßlichen Tod in Midgaard vor sich. »Was bringt uns um?«
3
Das Tiefseetauchboot
Old Gert
hing an einem großen Kran, der am Heck des britischen Meeresforschungsschiff
Invincible
angebracht war. Das Meer hatte sich so weit beruhigt, daß die
Old Gert
zu Wasser gebracht werden konnte, um auf dem Meeresboden in 5200 Metern Tiefe wissenschaftliche Erkundungen durchzuführen. Die Mannschaft des Tauchboots befaßte sich gerade mit den strengen Sicherheitsüberprüfungen.
An dem Tauchboot war nichts veraltet. Es handelte sich um die allerneueste Konstruktion. Die
Old Gert
war im vergangenen Jahr von einem britischen Raumfahrtunternehmen gebaut worden und nun bereit für ihren ersten Tauchversuch, der sie zur Mendocino-Bruchzone führen sollte, einer riesigen Spalte im Boden des Pazifiks, die sich von der Küste Nordkaliforniens die halbe Strecke bis Japan hinzog.
Ihr Äußeres unterschied sich grundsätzlich von der aerodynamischen Form anderer U-Boote. Statt des zigarrenförmigen Rumpfes mit der rundlichen Wölbung darunter, bestand das Tauchboot aus vier transparenten Kugeln, die aus einer Titan-Polymer-Mischung hergestellt waren, verbunden durch tunnelartige Röhren, die ihr das Aussehen eines Spielzeugroboters gaben. Eine Kugel enthielt eine komplexe Kameraausrüstung, eine andere barg die Luft- und Ballasttanks und die Batterien. Die dritte Kugel enthielt den Sauerstoffvorrat und die Elektromotoren. Die vierte Kugel, die größte, war über den übrigen dreien angeordnet und bot Platz für Mannschaft und Steuerung.
Die
Old Gert
war gebaut worden, um dem ungeheuren Druck in den tiefsten Tiefen der Weltmeere standzuhalten. Ihre Hilfssysteme waren darauf ausgelegt, einer Mannschaft achtundvierzig Stunden Überlebenszeit zu garantieren, und ihr Antrieb gestattete es ihr, mit einer Geschwindigkeit von bis zu acht Knoten die dunklen Abgründe zu durchfahren.
Craig Plunkett, Leitender Ingenieur und Kapitän der
Old Gert,
zeichnete
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