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Die achte Karte

Die achte Karte

Titel: Die achte Karte
Autoren: Kate Mosse
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seinen Kunden an das Café Paillard oder das Café Anglais verloren haben.
    »Monsieur, es ist mir ein großes Vergnügen, Sie wieder bei uns begrüßen zu können. Wir hatten schon vermutet, Sie wären vielleicht auf einen Posten ins Ausland entsandt worden.«
    Georges blickte betreten. So ein Puritaner, dachte Marguerite, obwohl sie das nicht unsympathisch fand. Er hatte bessere Manieren und war großzügiger und einfacher in seinen Bedürfnissen als viele der Männer, mit denen sie liiert gewesen war.
    »Die Schuld liegt ganz allein bei mir«, sagte sie unter dunklen Wimpern. »Ich habe ihn für mich behalten.«
    Der Besitzer lachte. Er schnippte mit den Fingern. Während die Garderobiere Marguerites Stola und Georges’ Gehstock nahm, tauschten die Männer Höflichkeiten aus, plauderten über das Wetter und die aktuelle Lage in Algerien. Es gab Gerüchte über eine antipreußische Demonstration.
    Marguerite erlaubte ihren Gedanken abzuschweifen. Sie warf einen Blick auf den berühmten Obsttisch, auf dem die feinsten Früchte arrangiert waren. Die Saison für Erdbeeren war natürlich längst vorbei, und außerdem begab Georges sich gern frühzeitig zur Ruhe, daher war unwahrscheinlich, dass er bis zum Dessert würde bleiben wollen.
    Marguerite unterdrückte gekonnt ein Seufzen, während die Männer ihr Gespräch beendeten. Obwohl um sie herum alle Tische besetzt waren, herrschte eine friedliche Atmosphäre stiller Behaglichkeit. Ihr Sohn würde das Restaurant abschätzig als langweilig und altmodisch bezeichnen, sie dagegen, die zu oft von außen in derlei Etablissements geblickt hatte, fand es entzückend und sah es als Beweis für die Sicherheit, die sie durch Du Ponts Gönnerschaft gefunden hatte.
    Sobald die Unterhaltung vorüber war, hob der Besitzer die Hand. Der Oberkellner trat vor und führte sie durch den von Kerzenlicht erhellten Raum zu einem leicht erhöhten Tisch in einer Nische, der von anderen Gästen nicht eingesehen werden konnte und weit von den Schwingtüren zur Küche entfernt war. Marguerite bemerkte, dass der Mann schwitzte, seine Oberlippe glänzte unter dem gestutzten Schnurrbart, und sie fragte sich, was Georges eigentlich genau in der Botschaft machte, dass seine gute Meinung so überaus wichtig war.
    »Monsieur, Madame, wünschen Sie einen Aperitif vorab?«, fragte der Weinkellner.
    Georges sah zu Marguerite hinüber. »Champagner?«
    »Das wäre wunderbar, ja.«
    »Eine Flasche Cristal«, sagte er, wobei er sich auf seinem Stuhl zurücklehnte, als wollte er Marguerite das vulgäre Wissen ersparen, dass er die beste Marke des Hauses bestellt hatte.
    Kaum war der Oberkellner gegangen, schob Marguerite ihre Füße unter dem Tisch vor, bis sie die Du Ponts berührten, und sah amüsiert, wie er zusammenfuhr und dann verlegen auf seinem Stuhl hin und her rutschte.
    »Marguerite, bitte«, sagte er, obwohl sein Protest nicht überzeugend klang.
    Sie zog einen Fuß aus dem Schuh und drückte ihn leicht gegen ihn. Durch den hauchdünnen Strumpf konnte sie den Saum seiner Hose spüren.
    »Die haben hier den besten Rotweinkeller von ganz Paris«, sagte er mit rauher Stimme, als müsse er sich räuspern. »Burgunder, Bordeauxweine, alle entsprechend gelagert, zuerst die Spitzenweine der großen Weingüter und dann der Rest in der richtigen Reihenfolge bis hinunter zum bloßen Allerweltsgesöff.«
    Marguerite vertrug keinen Rotwein und bekam furchtbare Kopfschmerzen davon, daher zog sie Champagner vor, doch sie hatte sich damit abgefunden, alles zu trinken, was Georges ihr vorsetzte.
    »Sie wissen so viel, Georges.« Sie stockte, schaute sich dann um. »Und dass wir überhaupt einen Tisch bekommen haben. Es ist gut besucht für einen Mittwochabend.«
    »Man muss nur wissen, an wen man sich wendet«, sagte er, obwohl sie ihm ansah, dass ihm ihre Schmeichelei guttat. »Haben Sie noch nie hier diniert?«
    Marguerite schüttelte den Kopf. Der sorgfältige, detailbesessene, pedantische Georges sammelte Fakten und protzte gern mit seinem Wissen. Natürlich war ihr wie allen Parisern die Geschichte des Voisin bekannt, aber sie war bereit, Unkenntnis zu heucheln. Während der schmerzlichen Monate der Kommune hatte das Restaurant einige der gewalttätigsten Zusammenstöße zwischen den Kommunarden und den Regierungstruppen erlebt. Wo jetzt
fiacres
und Gigs auf Fahrgäste warteten, waren vor zwanzig Jahren die Barrikaden gewesen: eiserne Bettgestelle, umgekippte Holzkarren, Paletten und Munitionskisten. Sie
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