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Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär

Titel: Die 13 1/2 Leben des Käptn Blaubär
Autoren: Walter Moehrs
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gespenstischem Licht. Ihre Arme und Beine baumelten wie schlaffe Fahrradschläuche an ihnen herab. Sie starrten mich eine Weile schweigend, fast ergriffen an. Dann begannen sie zu applaudieren.
    Ich will nichts beschönigen: Die Klabautergeister waren wirklich ein unangenehmer Haufen. Ihre schleimige Art der Fortbewegung, der leichte elektrische Schlag, den man bekam, wenn sie einen berührten, ihre hohen, singenden Stimmen und vor allen Dingen ihre zweifelhafte Vergnü- gung, sich an der Furcht hilfloser Zeitgenossen zu ergötzen, waren widerwärtig. Dazu kam noch der Geruch von fauligem Holz, den sie verströmten (er hing mit ihren Schlafgewohnheiten zusammen), und ganz besonders ihre abstoßende Art der Ernährung. Doch davon später. Ja, die Klabautergeister waren eigentlich das Letzte, aber trotzdem ging ich mit ihnen. Was blieb mir schließlich auch anderes übrig?
    Ich verstand kein Wort von dem, was sie sagten beziehungsweise sangen, aber ich begriff doch sehr schnell, daß sie mich aufforderten, mit ihnen zu kommen. Ich fand, das war angesichts meiner Lage noch das Beste, was mir passieren konnte, immerhin hätten sie auch wer weiß was mit mir anstellen können.
    Sie glitten vor mir her durch den Wald, wie Wasserschlangen aus grünem Licht umflossen sie jedes Hindernis mit eleganten Bewegungen. Wenn ein Hindernis zu groß oder zu massiv war, etwa ein Felsblock oder ein umgestürzter Mammutbaum, dann flutschten sie einfach mitten durch es hindurch, als sei es nicht dichter als Nebel.
    Ich hatte einige Schwierigkeiten mitzuhalten, aber die Klabautergeister machten in gewissen Abständen höfliche Pausen, in denen sie gemeinsam warteten, bis ich sie eingeholt hatte. Sie sangen in der Zwischenzeit ziemlich gräßliche Lieder, deren Melodien schon so unbehaglich klangen, daß ich froh war, den Text nicht zu verstehen.
    Ich war völlig erledigt, mein Fell war voller Laub, Dornen und kleinen Ästen, als wir endlich das Ziel erreichten: eine große Lichtung mitten im Wald. Auf ihr lagen Hunderte von umgestürzten hohlen Mammutbäumen, die vor sich hin faulten. Ein Friedhof für Riesenbäume, bewohnt von Hunderten, vielleicht Tausenden von Klabautergeistern. Das sollte fürs nächste mein Zuhause sein.

2. 
    Mein Leben
    bei den
    Klabauter-
    geistern

E s stellte sich sehr bald heraus, daß die Klabautergeister mich nicht aus reiner Gastfreundschaft aufgenommen hatten. Noch in derselben Nacht zeigten sie mir durch anschauliche Pantomimen, was sie von mir verlangten:
    Ich sollte für sie weinen.

    Aus dem
»Lexikon der erklärugsbedürftigen Wunder,
Daseinsformen und Phänomene Zamoniens
und Umgebung«
von Prof. Dr. Abdul Nachtigaller
    Klabautergeister, die [Forts.]: Klabautergeister entstehen durch das Zusammentreffen eines Irrlichts [Lux Dementia] mit zamonischem Friedhofsgas. Friedhofsgas ist ein unangenehm riechendes Fäulnisgas, das aus vermodernden Särgen aufsteigt, wenn die Erde darauf nicht gasversiegelnd genug beklopft wurde. Irrlichter entstehen, wenn Glühwürmchen vom Blitz getroffen werden und dann im lädierten Zustand weiterflattern. Treffen nun Irrlicht und Friedhofsgas zusammen, was aus naheliegenden Gründen vorwiegend über öffentlichen Begräbnisstätten stattfindet, verschmelzen die Gasmoleküle und Lichtatome zu jener rückgratlosen und unseligen Allianz, die gemeinhin als Klabautergeist bekannt ist.
    Eigentlich klar, daß dabei nichts Erfreuliches zustande kommen kann. Wer kein Rückgrat hat, braucht auch kein Nervensystem, und wer keine Nerven hat, der hat auch keine Gefühle - und gerade deswegen interessieren den Klabautergeist die Gemütsbewegungen anderer Lebewesen so sehr. Man will eben immer das haben, was man selber nicht hat. Und wenn man einmal weiß, wie Klabautergeister entstehen, wundert man sich auch nicht darüber, daß ihr Interesse an unangenehmen Gefühlen wie Angst, Verzweiflung und Trauer so ausgeprägt ist. Ein Weinkrampf, also etwas, bii dem all diese Gefühle gleichzeitig vorkommen, ist für einen Klabautergeist das Allergrößte.
    Sie zeigten mir einen Platz auf einem mächtigen modernden Baumstamm, der dort wie ein umgestürzter Fabrikschornstein lag, und schoben mir ein paar Blätter unter, damit ich bequem sitzen konnte.
    Die Lichtung füllte sich immer mehr mit Klabautergeistern, sie glitten zwischen den Baumstämmen umher und suchten summend ihre Sitzplätze. Es war schon unheimlich, Hunderte von ihnen einen Baumfriedhof erleuchten zu sehen. Zusammen erzeugten sie
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