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Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland

Titel: Die 101 Wichtigsten Fragen - Bundesrepublik Deutschland
Autoren: Edgar Wolfrum
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über 50 Jahre eine oft emotionale Bindung an ihre Währung entwickelt hatte.
    98. Gibt es ein Rezept gegen die Massenarbeitslosigkeit? Demjenigen, der ein solches Rezept präsentieren könnte, wäre der Nobelpreis für Wirtschaft sicher. Ob den Deutschen und nicht nur ihnen allein die Arbeit ausgeht und wie eine moderne Arbeitsgesellschaft aussehen sollte – diese Frage lässt seit den 1970er Jahren immer neuen Streit aufflammen, und je nach wirtschaftspolitischer Überzeugung wird sie unterschiedlich beantwortet. Grob lassen sich vier Konzepte unterscheiden.
    Eine marktradikale Antwort wäre – erstens –, dass bei einer totalen Aufgabe von arbeitsrechtlichen Regelungen das «freie Spiel der Kräfte», also Angebot und Nachfrage, ein Gleichgewicht auf dem Arbeitsmarkt herstellen würde: Die Abschaffung von Kündigungsschutz, Lohnvorschriften, Lohnnebenkosten und Arbeitszeitbestimmungen würden zu einem Abbau der Massenarbeitslosigkeit führen. Dabei bedeutet allerdings ein ausgewogener Arbeitsmarkt mitnichten Vollbeschäftigung. Vielmehr ist ja weiterhin ein Angebot an Arbeitskraft – also Arbeitslosigkeit – nötig, damit dieses «Gut» nicht zu knapp wird, sein «Preis» nicht zu sehr steigt. Verfechter von staatsökonomischen Theorien hingegen würden – zweitens – argumentieren, dass es Aufgabe des Staates sei, genug zu investieren, um neue Arbeitsplätze zu schaffen. Reiche die Arbeit nicht für alle aus, könnte Arbeitszeitverkürzung bzw. verstärkte Teilzeitarbeit neue Stellen schaffen. Dies ist jedoch gerade bei hohen Zusatzkosten für den Arbeitgeber (z.B. durch die Lohnnebenkosten, die ja bei jedem neuen Arbeitnehmer ungeachtet des Lohnes für die geleistete Arbeitszeit anfallen) nicht überall finanzierbar. Würden auch hier die Hindernisse beseitigt und der Faktor Arbeit wäre so billig, dass verstärkt Arbeitsplätze bei bestehenden Produktionskategorien geschaffenwürden, so ginge dies zulasten von ökonomisch notwendigen technischen Rationalisierungsmaßnahmen. Ein «dritter Weg» wird darin gesehen, von der Vorstellung einer erreichbaren Vollbeschäftigung Abstand zu nehmen und den Bürgern ein würdevolles Leben auch ohne feste Erwerbsarbeit zu ermöglichen. Hierzu sei ein steuerfinanziertes, «bedingungsloses Grundeinkommen» für jeden Bürger zu zahlen, wobei sich Erwerbslose verstärkt in ehrenamtlichen Tätigkeiten engagieren könnten. Es kann nicht überraschen: Auch dieser Weg ist in höchstem Maße umstritten. Wie sähe es – viertens – mit einer Mischung aus wirtschaftsliberalen und staatsinterventionistischen Rezepten aus? Dies erscheint der zurzeit verfolgte Kurs zu sein, der mit der «Agenda 2010» der rot-grünen Bundesregierung im Jahr 2003 begann. Er zielt darauf ab, Arbeitslose schneller wieder in Arbeit zu bringen, indem einerseits Leistungen für Arbeitslose gekürzt werden, Arbeitslosigkeit also weniger «attraktiv» sein soll, andererseits verschiedene Stufen von Arbeitsbedingungen eingeführt («2.» und «3.» Arbeitsmarkt), Arbeitsverhältnisse subventioniert und die private Arbeitsvermittlung – vorher ein staatliches Monopol in Deutschland – erlaubt wurden. Insgesamt soll so der Arbeitsmarkt «flexibler» gemacht werden, was indessen auch eine «Präkarisierung» von Arbeitsverhältnissen zur Folge hat, das heißt, dass diese für den Einzelnen unsicherer werden. – Es hilft nichts: Man wird sich weiter streiten müssen.
    99. Wie kam es zur 35-Stunden-Woche? Der Trend zur Arbeitszeitverkürzung ist so alt wie die Industrialisierung selbst: 1875 arbeitete man in Deutschland 72 Stunden, 1900 60 Stunden, 1913 57 Stunden, 1941 50 Stunden, 1950 48 Stunden und 1956 kämpften die bundesdeutschen Gewerkschaften mit dem famosen Slogan «Samstags gehört Vati mir», den sie einem Kind in den Mund legten, für die 5-Tage-Woche. 1965 schließlich konnten sie die 40-Stunden-Woche durchsetzen. Doch damit schien das Ende der Fahnenstange erreicht zu sein, denn auf die Forderung nach der «35-Stunden-Woche» reagierten die Arbeitgeber in den 1970er und 1980er Jahren mit einem entschiedenen Nein. Eine geforderte Verringerung der Wochenarbeitszeit war dabei nicht nur symbolisch hoch brisant. Seitdem die Massenarbeitslosigkeit auf der Republik lastete, sahen die Gewerkschaften in ihr das geeignete Konzept, diese Geißel der modernen Arbeitsgesellschaft zu bekämpfen.
    Erst 1995 – nun jedoch paradoxerweise entgegen dem umgekehrten Trend zur Arbeitszeitverlängerung –
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