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Dezembersturm

Titel: Dezembersturm
Autoren: Iny Lorentz
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Eure Frage zurückzukommen: Ich wäre wohl ein arg aus der Art geschlagener Verwandter, wenn ich nicht auf die Nachricht von Leonores Tod und Eurer Erkrankung hierhergekommen wäre.«
    Fridolin rückte einen Stuhl aus der Zimmerecke neben das Bett und setzte sich. Während er den alten Herrn betrachtete, konnte er sein Erschrecken nicht verbergen. Sein Onkel, der bei seinem letzten Besuch noch der Gutsherr auf Trettin gewesen war und so gesund und kräftig gewirkt hatte wie eine Eiche, glich nun dem Schatten seines früheren Selbst.
    Spontan fasste der junge Mann die Hände des Alten. »Soll ich Ottokar zum Duell fordern und ein Loch in seine Brust stanzen, Onkel?«
    Wolfhard von Trettin lachte zum ersten Mal seit Wochen herzhaft auf. »Das würdest du fertigbringen, Fridolin, nicht wahr? Aber es würde mir nichts nützen, denn Ottokars Frau, die sich ach so vornehm gibt und doch nur eine geborene Lanitzki ohne edle Abstammung ist, würde dann immer noch mit ihrer Brut auf dem Gut sitzen. Bei Gott, warum konntest du nicht der Sohn meines nächstgeborenen Bruders sein? Dann wäre es nie so weit gekommen.«
    »In dem Fall hätte ich Euch nur noch öfter um einen Zuschuss angebettelt«, spottete der junge Mann.
    Der Alte keuchte, da ihm das Lachen schwerfiel. »Ich hätte dir schon die Ohren langgezogen und dich dazu gebracht, deinen Lebenswandel zu ändern. Aber sag, wie geht es dir so?«
    Über Fridolins Gesicht huschte ein Schatten. »Wie Ihr an meinem Anzug ersehen könnt, der in einem Trauerhaus völlig unpassend ist, bin ich wieder einmal blank. Die Fahrt hierher hat meine letzten Taler gefressen. Deswegen musste ich den Weg von Heiligenbeil bis Bladiau auf dem Gemüsekarren eines Bauern zurücklegen und auf dem letzten Stück bis hierher meine eigenen Beine bemühen.«
    »Ich wollte, ich könnte dir wenigstens ein paar Taler geben. Doch Ottokar hat die Zahlungen eingestellt, die er mir laut Gerichtsurteil leisten müsste. Wie es aussieht, will der Kerl mich so rasch wie möglich unter der Erde sehen.« Wolfhard von Trettin warf einen düsteren Blick in die Richtung, in der sein einstiger Gutshof lag, und ballte die Faust.
    Seine Laune besserte sich jedoch rasch wieder, und er zwinkerte seinem Neffen mit dem rechten Auge zu. »So leicht gebe ich nicht auf! Ich habe noch ein Problem zu lösen, dann kann ich abtreten.Lore darf nicht in Ottokars Hände und in die seiner Malwine geraten. Die beiden würden ihr die paar Pfennige abnehmen, die ich ihr hinterlassen kann, und sie dann als kostenlosen Dienstboten benutzen.«
    »Ich würde Euch gerne dabei helfen, aber ich weiß nicht einmal, ob ich noch ein Dach über dem Kopf habe, wenn ich nach Berlin zurückkomme, oder ob mir meine Hauswirtin bereits den Koffer vor die Tür gestellt hat.« Fridolin zuckte mit den Schultern und verdrängte den unangenehmen Gedanken, während sein Onkel ihn mit einem gewissen Spott musterte.
    »Wie wäre es, wenn du versuchst, einen passenden Broterwerb zu finden?«
    Fridolin hob in einer komisch verzweifelten Geste die Hände. »Das würde ich ja gerne, doch ich eigne mich nun einmal nicht zum Offizier. Zudem habe ich nicht das Geld, in ein passendes Regiment einzutreten. Und um Landwirt zu werden, fehlen mir sowohl die eigene Scholle wie auch die Lust, tagelang im Sattel zu sitzen und schwitzende Knechte und Mägde zu schikanieren. Für das Einzige, das mir gefallen könnte, besitze ich weder die notwendigen Verbindungen noch die passenden Empfehlungsschreiben.«
    »Und was wäre das?«, fragte der alte Herr.
    »Geld! Ihr werdet es wahrscheinlich nicht glauben, aber ich kann gut mit Geld umgehen, solange es nicht mein eigenes ist. Ich habe letztens für eine Bekannte, der die Behörden wegen angeblicher Steuerhinterziehung im Nacken saßen, die Bücher in Ordnung gebracht und ihr dabei einen Gewinn von fast tausend Talern erwirtschaftet.«
    Der Alte sah ihn erstaunt an. »Und warum tust du das nicht weiterhin?«
    »Meine Bekannte führt, um es vorsichtig auszudrücken, kein besonders ehrenwertes Haus. Es würde mich meine letzte Reputationkosten, offen für sie zu arbeiten.« Fridolin hielt seufzend inne und schüttelte den Kopf. »Onkel, Ihr wisst gar nicht, in welche Fesseln der Name von Trettin einen Mann schlägt. Mein Stand erlaubt mir, Geld in einem Bordell auszugeben, aber nicht, welches darin zu verdienen. Da mir auch die meisten bürgerlichen Berufe versperrt sind, habe ich mir schon überlegt, ob ich nicht besser nach Amerika
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