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Deus Ex Machina - Teil 1: Thriller

Deus Ex Machina - Teil 1: Thriller

Titel: Deus Ex Machina - Teil 1: Thriller
Autoren: André Lütke-Bohmert
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blöden Jungs mit ihm gemacht hatten, nahm sie ihn in den Arm und sagte, alles sei gut. Später am Abend ging Papa zu den Eltern der Jungen, und als er wieder zurückkam, sagte er, sie würden ihn ab jetzt in Ruhe lassen, und er müsse keine Angst mehr haben. Aber er hatte immer noch Angst. An diesem Tag schwor er sich, immer eine doppelte Schleife zu machen. Dann würden sie ihn nie wieder einholen können.
    Tags darauf spielte er mit Peter und Kai auf dem Spielplatz Murmeln. Peter und Kai waren seine besten Freunde, und auch, wenn sie beim Spielen gegen ihn verloren, wurden sie nie böse. Er hatte seine schönsten Murmeln mitgebracht. Keiner merkte, wie Norbert und Freddi sich anschlichen, die Jungs, die sein Gesicht in den Matsch gedrückt hatten. Als Kai aufsprang und in ihre Richtung zeigte, war es schon zu spät zum Wegrennen. Freddi nahm ihnen alle Murmeln weg und stopfte sie sich in die Hosentaschen, und dann wurden die drei Freunde von ihm und Norbert verhauen. Er wollte einfach nicht aufgeben. Peter und Kai waren schon weinend weggelaufen, aber er wollte seine schönen Murmeln wiederhaben. Da wurden Freddi und Norbert noch böser. Erst zogen sie ihm sein T-Shirt über den Kopf, dann schubsten sie ihn so fest, dass er sich nicht mehr aufrecht halten konnte und mit dem Kopf auf die Steinkante des Sandkastens knallte. Er hörte noch, wie sie ihn eine „Scheißpetze“ nannten, dann wurde alles schwarz.
    Als er viele Tage später im Krankenhaus aufwachte, konnte er sich nur noch an das viele Blut und das Tatütata des Krankenwagens erinnern. Man hatte ihm alle Haare abgeschnitten und einen dicken Verband um seinen Kopf gewickelt. Er musste noch eine lange Zeit in dem quietschenden Krankenhausbett liegen bleiben, bevor er wieder aufstehen und allein zur Toilette gehen durfte. Mama saß jeden Tag an seinem Bett und las ihm Geschichten vor. Sie weinte viel, und immer wenn Papa abends ins Krankenhaus kam, musste er sie in den Arm nehmen.
    Als er wieder zuhause war, gaben seine Eltern ihm Bücher zu lesen, weil er ja nicht in die Schule gehen konnte. Er wollte so gerne wieder mit den anderen Kindern spielen gehen. Sie ließen ihn nicht. Manchmal kamen Kai und Peter ihn besuchen, aber irgendwann hatten seine Freunde keine Lust mehr, immer nur in seinem Zimmer zu sitzen und Autoquartett oder Mau-Mau zu spielen, wo die anderen Kinder doch alle auf dem Spielplatz waren, und da kamen sie immer seltener. Irgendwann kamen sie gar nicht mehr, und er fühlte sich einsamer als je zuvor. Insgeheim hoffte er, dass er vielleicht ein kleines Geschwisterchen bekommen würde. Viele der Kinder, die früher seine Freunde waren, hatten Brüder oder Schwestern. Aber so oft er auch nachguckte, Mama kriegte einfach keinen dicken Bauch. Statt eines Geschwisterchens bekam er nur einen Zauberwürfel und Papas alten Schachcomputer.
    Seine Arme und Beine wurden mit der Zeit immer dünner. Papa erklärte ihm, er müsse sich wieder mehr bewegen, und so entschieden seine Eltern, ihn in ein Ferienlager zu schicken. Er freute sich darüber sehr. Endlich würde er wieder spielen können. Aber die anderen Kinder im Ferienlager wollten nicht mit ihm spielen. Immer hänselten sie ihn, weil er so dünn und gebrechlich aussah, und wenn sie Räuber und Gendarm spielten, war er immer der Letzte, der ausgewählt wurde. Er konnte ja auch nicht mehr so schnell rennen wie früher. Er war derjenige, der ins Bett pinkelte, weil man seine Finger im Schlaf in lauwarmes Wasser tauchte. Er war derjenige, dem man den Pipimann mit Zahnpasta beschmierte, bis er sich blutig kratzte. Dem man Kaugummi in die Haare kleisterte. Die Schnürsenkel verknotete. Die Gruppenleiter gaben sich alle Mühe, ihn aufzuheitern, ihn zum Lachen zu bringen, aber er spürte, dass sie es nach einigen Tagen nicht mehr gerne taten. Einmal konnte er sogar hören, wie sich zwei von ihnen stritten, wer an der Reihe sei, sich um den Krüppel zu kümmern. Er weinte lange und weigerte sich zu essen. Am nächsten Tag riefen sie seine Eltern an, und die holten ihn wieder nach Hause. Tagelang blieb er in seinem Zimmer und las die Bücher, die sein Papa ihm mitbrachte. Seine Arme und Beine blieben dünn.
    Seit dem Unfall auf dem Spielplatz war schon über ein Jahr vergangen, als Papa und Mama ihn schließlich jeden Tag zu einem Doktor schickten, der seine Arme und Beine wieder dicker machen sollte. Mama sagte, jetzt, da Papa eine Arbeit habe, hätten sie endlich das nötige Geld dafür. Er hatte sich
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