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Desperation

Desperation

Titel: Desperation
Autoren: Stephen King
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zusammengerollt auf dem Grund des Trichters und
blutete scheinbar überall, während seine zerfetzten Nerven
versuchten, mit ihrem unvernünftigen Kreischen jeden rationalen Gedanken zu übertönen. Er schaute auf und sah, daß er
eine breite Blutspur auf der schrägen Felswand hinterlassen
hatte. Stoff- und Lederfetzen - sein Hemd, seine Levi’s, seine
Überhose - hingen an einigen vorstehenden Kristallen.
Rauch, der aus dem Loch am Boden des Trichters drang,
kräuselte sich zwischen seinen Beinen und versuchte, ihn im
Schritt zu packen.
»Laß das«, sagte er. »Gott befiehlt es.«
Der braunschwarze Schleim fiel zurück und wand sich wie
schmutzige Fahnen um Johnnys Oberschenkel.
»Ich kann dich am Leben lassen«, sagte eine Stimme. Kein
Wunder, dachte Johnny, daß Tak auf der anderen Seite des
Trichters gefangen war. Das Loch, zu dem er sich verengte,
war klein, sein Durchmesser betrug kaum zwei Zentimeter.
Rotes Licht pulsierte wie ein Blinzeln darin. »Ich kann dich
heilen, dich gesund machen, dich leben lassen.«
»Ja, aber kannst du auch den verdammten Literaturnobelpreis für mich gewinnen?«
Johnny nahm die ANMO-Beutel von seinem Hals und
riß den Hammer aus dem Gürtel. Er mußte schnell machen. Er fühlte sich, als hätte er eine Milliarde Schnittwunden abbekommen und konnte bereits spüren, wie der
Blutverlust einen grauen Schleier über sein Denken legte.
Er mußte wieder an Connecticut denken, und daran, wie
sich die Nebel in den letzten März- und ersten Aprilwochen nach Einbruch der Dunkelheit herabsenkten. Erdbeerfrühling, sagten die Altvorderen dazu, Gott weiß,
warum.
»Ja! Ja, das kann ich auch!« Die Stimme aus dem engen roten Schlund hörte sich eifrig an. Und ängstlich. »Ich kann alles! Erfolg … Geld … Frauen … und ich kann dich heilen. Vergiß
das nicht! Ich kann dich heilen!«
»Kannst du Davids Vater zurückbringen?«
Schweigen aus dem ini. Nun fand der braunschwarze
Schleim aus dem Loch das lange Gewirr von Schnittwunden
an Johnnys Rücken und Beinen, und plötzlich hatte Johnny
das Gefühl, als würde er von Muränen angegriffen … oder
Piranhas. Er schrie.
»Ich kann die Schmerzen verschwinden lassen!« sagte Tak
aus seinem winzigen Loch. »Du mußt nur darum bitten - und
natürlich aufhören.«
Johnny, dem Schweiß in den Augen brannte, benützte das
spitze Ende des Hammers, um einen der ANMO-Beutel aufzureißen. Er hielt den Schlitz über das winzige Loch, zog den
Stoff auseinander und goß den Inhalt durch eine hohle, blutige Hand. Das rote Licht wich augenblicklich zurück, als
fürchtete das Ding da unten, es könnte die Sprengladung aus
Versehen selbst zünden.
»Das kannst du nicht!« schrie Tak jetzt mit gedämpfter
Stimme - aber Johnny hörte sie trotzdem deutlich genug in
seinem Kopf. »Das kannst du nicht, verdammt! An lah! An lah!
Os dam! Du Dreckskerl!«
Selber an lah, dachte Johnny. Und ein dickes, fettes can de lach noch dazu.
    Der erste Beutel war leer. Johnny konnte undeutlich etwas
Weißes in dem Loch erkennen, wo bisher nur Schwarz und
pulsierendes Rot gewesen war. Demnach war der Schlund,
der in Taks Welt… oder Ebene … oder Dimension führte, gar
nicht so lang. Nicht in physikalischen Maßeinheiten. Und hatten die Schmerzen in Johnnys Rücken und Beinen nicht nachgelassen?
Vielleicht sind sie einfach nur gefühllos geworden, dachte er. Was wirklich kein neuer Zustand für mich ist.
Er nahm den zweiten Beutel ANMO und sah, daß eine Seite
völlig von seinem Blut getränkt war. Er spürte eine zunehmende Schwäche neben dem Nebel in seinem Kopf. Er mußte
sich beeilen. Geschwind wie der Wind.
Er riß den zweiten Beutel mit dem spitzen Ende des Hammers auf und versuchte, sich gegen die Schreie in seinem Kopf
zu wappnen; Tak war jetzt völlig in die andere Sprache verfallen.
Er drehte den Beutel über dem Loch herum und sah zu, wie
die ANMO-Kügelchen herausrieselten. Je mehr sich der
Schlund füllte, desto heller wurde das Weiß. Als der zweite
Beutel leer war, lag der Pegelstand der Kügelchen kaum zehn
Zentimeter unter dem Rand.
Gerade Platz genug, dachte Johnny.
Er merkte, daß sich Stille über den Brunnenschacht und das an tak darüber gesenkt hatte; nur das leise Flüstern ertönte
noch, bei dem es sich um die Rufe der Geister handeln konnte,
die seit dem einundzwanzigsten September 1859 hier eingesperrt waren.
Falls dem so war, würde er ihnen die Freiheit schenken.
Er suchte scheinbar eine Ewigkeit in den Taschen seiner
Motorradhose, kämpfte gegen
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