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Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)

Titel: Des Teufels Sanduhr: Roman (German Edition)
Autoren: Simone Neumann
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zur Kohlenmarie in den Wald gegangen. Die Köhlersfrau verstand sich gut aufs Engelmachen. Tagelang hatte Anna dann fiebrig im Bett gelegen, und seitdem konnte sie keine Kinder mehr bekommen, sosehr sie sich das auch wünschte.
    Friedrich hatte zu dieser Zeit damit begonnen, häufiger ins Wirtshaus zu gehen. Dort hatte er Karten gespielt und Bier getrunken, immer öfter auch Weinbrand. Eines Tages war ein Werber des Halberstädters ins Wirtshaus gekommen und hatte seinen Tisch aufgeschlagen. In Begleitung eines lustigen Flötenspielers, der fröhliche Tanzmusik gespielt hatte, hatte er eine Runde nach der anderen geworfen.
    Als Friedrich spät in der Nacht nach Hause gekommen war, stellte sich heraus, dass er sich hatte anwerben lassen. Und schon am nächsten Tag hatte er zusammen mit drei anderen Burschen aus dem Dorf zum Musterplatz marschieren müssen. Das war vor nunmehr sieben Jahren gewesen, und seitdem hatte Anna ihn nicht wiedergesehen.
    Das Poltern kam nun immer näher. Waren die Halunken etwa im Haus? Seit einigen Wochen trieben sich auch Kaiserliche in der Gegend herum. Sie waren katholisch, genauso wie Anna und alle Bewohner des Dorfes. Doch das kümmerte die Soldaten nur wenig. Das Dorf gehörte zu einem großen Kloster ganz im Osten Westfalens, und obwohl dieses Kloster katholisch war, gab es in der Umgebung auch viele Protestantische; besonders in Höxter, der nächsten Stadt. Und das kam den durchziehenden Truppen gerade recht. Denn ganz gleich, ob sie papistisch oder evangelisch waren, sie fanden immer einen Grund, den Menschen Leid anzutun, ihnen ihre Tiere, ihre Habe und ihr Leben zu nehmen.
    Die Reiter, die soeben die Magd Katharina zum Schweigen gebracht hatten, waren Kaiserliche, und nun waren mindestens zwei von ihnen in Annas Hütte. Ein Poltern und Schlagen war zu hören. Sie suchten etwas, doch Anna in ihrem Verschlag wusste, dass sie nichts finden würden. Es gab nichts zu finden. Dann war wieder ein lauter, elender Schrei zu vernehmen, und daraufhin ein dumpfer Knall. Das war die arme Ziege, wahrscheinlich hatten sie ihr den Schädel eingeschlagen. Sie mussten nun den Weg in den Stall und somit auch bald zur Hintertür und zum Misthaufen gefunden haben.
    Anna hätte niemals gedacht, dass es ihr in ihrem brütend heißen Versteck noch heißer werden konnte, doch da hatte sie sich getäuscht. Der stechende Geruch ihres eigenen Schwei ßes vertrieb sogar den Gestank der verwesenden Hühnerdärme. Und all ihre Gliedmaßen waren eingeschlafen, nachdem sie nun stundenlang eingeengt in diesem schrecklichen Verschlag hockte, in dem sie sich nicht bewegen konnte und aus Angst auch nicht bewegen wollte.
    Die Männer sprachen eine seltsame Sprache, doch das war nichts Besonderes in diesem Krieg, in dem man Bekanntschaft mit den außergewöhnlichsten Völkern machen konnte. Noch immer wühlten sie lautstark herum, warfen alles um, was ihnen im Wege stand. Aber dann war von der Straße her lautes Rufen zu vernehmen, und mit einem Mal hörte Anna, dass sich die schweren Schritte der Eindringlinge entfernten. sie waren verschwunden und hatten sie nicht aufgespürt. Dieses Mal war sie mit dem Schrecken davongekommen.
    Zur Sicherheit verharrte sie noch zwei Stunden in ihrem Versteck, zwei ewige Stunden, bis der Hunger und ihre schmerzenden Knochen sie heraustrieben. Sie wollte ja nicht so enden wie die alte Jungfer Fine, die sich vor drei Jahren unter einem umgestülpten Schweinetrog versteckt hatte und aus Angst um ihre nun schon 53 Jahre währende Unberührtheit nicht mehr herausgekommen und unter demselben verhungert war. Erst der Verwesungsgestank hatte die Dorfbewohner auf die tote Jungfrau aufmerksam gemacht.
    Anna stand nun auf wackeligen Beinen vor dem leblosen Körper ihres einzigen Nutztieres. Mühsam schleppte sie sich mit ihren eingeschlafenen Gliedern in die Wohnstube. Nichts in dem kleinen Häuschen war mehr an seinem Platz, irdene Schüsseln waren zerschlagen, die drei Schemel zerbrochen, die einzige Truhe zerhackt, aber wenigstens hatte die Räuberbande kein Feuer gelegt.
    Rotes Haar hat sie, schönes rotes Haar und ganz weiße Haut. Und wie wunderbar sie singen kann, so ganz ohne Worte.
    Jetzt kommt sie immer näher. Nein, das darf nicht sein. Wo soll man sich nur verstecken, damit sie einen nicht sieht?
    Dort hinten, hinter der Baumwurzel. Ja, das ist ein guter Platz. Man darf nur keine Laute machen, sonst hört sie einen, und dann läuft sie weg, und man kann sie nicht mehr
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