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Des Teufels Alternative

Des Teufels Alternative

Titel: Des Teufels Alternative
Autoren: Frederick Forsyth
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englischen Grafschaft Essex. Dorthin übermittelte Urmit Erdal per Fernschreiber die Schiffsbewegungen im Hafen von Trabzon und fügte eine kurze Anfrage an Lloyd’s Shipping Intelligence hinzu.
    Der Nachforschungsdienst überprüfte seine Unterlagen, stellte fest, daß in der letzten Zeit keine Schiffe im Schwarzen Meer als verschollen, gesunken oder auch nur als überfällig gemeldet worden waren, und gab die Anfrage an die Redaktion von Lloyds List weiter. Dort machte ein Redakteur eine kurze Meldung für die erste Seite daraus und erwähnte auch den Namen, den der Schiffbrüchige genannt hatte. Die Notiz wurde am nächsten Morgen veröffentlicht.
    Die Nachricht von dem nicht zu identifizierenden Mann in Trabzon fand bei den meisten Lesern, die an diesem Tag Ende April Lloyd’s List in die Hand nahmen, nur wenig Beachtung. Aber sie fesselte die Aufmerksamkeit eines ungefähr dreißig Jahre alten Mannes, eines bewährten leitenden Angestellten einer Schiffsmaklerfirma, deren Geschäftsräume in der Crutched Friars lagen, einer kleinen Straße im Bankenviertel der Londoner City. Seine Kollegen in der Firma kannten den Mann als Andrew Drake.
    Nachdem Drake die Meldung gelesen hatte, verließ er seinen Schreibtisch und ging ins Konferenzzimmer, wo eine gerahmte Weltkarte hing, auf der die vorherrschenden Windrichtungen und Meeresströmungen eingetragen waren. Im Frühjahr und Sommer wehen die Winde über dem Schwarzen Meer hauptsächlich aus Norden, und die Strömung fließt gegen den Uhrzeigersinn von der Südküste der Ukraine an den Küsten Rumäniens und Bulgariens vorbei, wo sie nach Osten abgelenkt wird und die Schifffahrtsroute zwischen Istanbul und Kap Indsche erreicht.
    Drake stellte auf einem Schmierzettel ein paar Berechnungen an. Ein kleines Boot, das etwa aus dem Gebiet der Dnjestrmündung südlich von Odessa kam, konnte bei günstigen Wind- und Strömungsverhältnissen vier bis fünf Knoten Fahrt an Rumänien und Bulgarien vorbei in Richtung Türkei machen. Aber nach drei Tagen bestand bei schlechtem Wetter die Gefahr, daß das Boot im Schwarzen Meer nach Osten abgetrieben wurde, anstatt den Bosporus zu erreichen.
    Aus der Rubrik »Wetter und Navigation« in Lloyd’s List ging hervor, daß in diesem Seegebiet vor neun Tagen tatsächlich schlechtes Wetter geherrscht hatte. Vielleicht schlecht genug, überlegte Drake, um einen unerfahrenen Seemann mit seinem Ruderboot kentern zu lassen. Dabei konnte der Mast ebenso wie das gesamte übrige Zubehör verlorengegangen sein. Selbst wenn es dem Insassen gelungen war, wieder ins Boot zu klettern, so war er doch Sonne und Wind gnadenlos ausgeliefert.
    Zwei Stunden später bat Andrew Drake um eine Woche Urlaub. Er wurde ihm bewilligt, aber erst ab dem folgenden Montag, dem 3.   Mai.
    Drake war ziemlich aufgeregt. Er wartete auf das Wochenende und buchte bei einem Reisebüro in der Nähe einen Rückflug London–Istanbul. Er beschloß, das Ticket für den Weiterflug nach Trabzon in Istanbul zu kaufen und bar zu bezahlen. Er vergewisserte sich, daß er mit einem britischen Reisepaß kein Visum für die Türkei brauchte, und ließ sich nach Büroschluß beim Ärztedienst der British Airways in der Victoria Station vorschriftsmäßig gegen Pocken impfen.
    Drake war aufgeregt, weil er es für möglich hielt, nach jahrelangem Warten endlich den Mann gefunden zu haben, den er suchte. Im Gegensatz zu den drei Türken, die vor zwei Tagen am Bett des Schiffbrüchigen gestanden hatten, wußte er , aus welcher Sprache das Wort sradscheny kam. Er wußte auch, daß das nicht der Name des Mannes war. Der Kranke hatte das Wort »verraten« in seiner Muttersprache gemurmelt – auf ukrainisch. Das konnte bedeuten, daß der Mann ein geflüchteter ukrainischer Partisan war.
    Auch Andrew Drake war, trotz seines anglisierten Namens, ein Ukrainer. Und er war ein Fanatiker.
    Nach seiner Ankunft in Trabzon suchte Drake als erstes Urmit Erdal auf, dessen Namen und Adresse er sich von einem Freund bei Lloyds beschafft hatte mit der Begründung, er werde eine Woche Urlaub an der türkischen Schwarzmeerküste machen und vielleicht etwas Unterstützung brauchen, da er kein Wort Türkisch spreche. Urmit Erdal, dem Drake ein Empfehlungsschreiben vorlegen konnte, interessierte sich nicht dafür, warum der Engländer den Schiffbrüchigen, der immer noch im Krankenhaus lag, besuchen wollte. Er schrieb dem Chefarzt ein paar Zeilen, und kurz nach dem Mittagessen wurde Drake in das kleine
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