Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der zweite Tod

Der zweite Tod

Titel: Der zweite Tod
Autoren: Daniel Scholten
Vom Netzwerk:
Anordnung, dass wir auf die Reichsmord warten sollen.«
    Sofi zog ihr Telefon aus der Tasche und rief die Zentrale an. »Hier ist Inspektorin Sofi Johansson von der Reichsmord. Wir sind jetzt da, wissen aber nicht, ob wir oder die Kripo hier übernehmen sollen.« Sie lauschte eine halbe Minute und legte dann auf. »Die wissen es auch nicht. Der Computer hat diese Anweisung gegeben, nachdem sie den Namen und die Adresse eingegeben haben.«
    Kjell seufzte. »Dann übernehmen wir. Am besten bleibt ihr da, dann könnt ihr übernehmen, wenn es sich als Irrtum herausstellt. Gehen wir nachsehen.«
    Sie durchschritten den langen Flur. Kjells erster Blick fiel auf die Bücherregale, die die Wände zu beiden Seiten säumten. Am Ende des Flurs lag das Arbeitszimmer. Dort standen an zwei Wänden weitere deckenhohe Bücherregale und in der Mitte ein großer Schreibtisch. Daran saß ein Mann. Mit dem Oberkörper und seinem Kopf lag er auf der Tischplatte, die vor Papieren nur so überquoll. An der linken Ecke der Tischplatte stand ein großer, flacher Bildschirm. Der Computer summte. Das Gesicht des Mannes konnte man nicht sehen, nur das dichte graumelierte Haar seines Hinterkopfs.
    Neben dem Stuhl, auf dem der Tote saß, kniete Per von der Technischen auf dem Boden. Er richtete sich auf und begrüßte Kjell und Sofi durch schlaffes Zuwinken. Er trug seinen braunen Plastikoverall, den er Benny nach der Trennung von ABBA abgekauft haben musste. »Willkommen bei Agatha Christie«, brummte er. »Das ist die Leiche und hier die Einstichstelle.« Er deutete auf eine Stelle am Rücken des Toten, die Kjell und Sofi nicht sehen konnten, weil sie nicht so weit in das Zimmer hineintreten durften. Per benutzte dazu sein blaues Idiotenklebeband, mit dem er auf dem Boden markierte, wo an einem Tatort gefälligst zu gehen und zu stehen war. »Die Tatwaffe ist vermutlich ein Brieföffner, er liegt in der Spülmaschine. Hier wurde erst vor kurzem Hausputz gemacht. Gute Sache für alle Beteiligten.«
    Sie durften sich der Leiche noch nicht nähern. Deshalb nutzte Kjell die Wartezeit, um den Raum auf sich wirken zu lassen. Die Bücher in den Regalen ließen ahnen, dass es sich bei dem Toten um einen Wissenschaftler handelte. Soweit er das ermessen konnte, ging es um Altertumswissenschaft. An den beiden Wänden ohne Regale hingen eine Kreidetafel und mit der Hand beschriftete Kartonagen voll fremder Schriftzeichen. Einiges davon war Griechisch, anderes Hieroglyphen, jedoch keine ägyptischen. Die Zeichen bildeten augenscheinlich keine Wörter, sondern waren zu Tabellen angeordnet, die einem Periodensystem ähnelten. Neben den Regalen und dem Tisch gab es noch einen Büroschrank, dessen Türen geschlossen waren. Der Parkettboden glitzerte wie eine Eisbahn.
    »War das mit der Tatwaffe denn ernst gemeint?«, erkundigte sich Soft.
    Per sah auf und nickte. »Sehe ich aus wie ein Zirkusclown?«
    Per war eigentlich immer so ein Wüstling. Der liebe Gott hatte ihm einen so militanten Zynismus auf die Zunge gelegt, dass sich die Mitglieder der Gewaltdezernate einen Tatort ohne seine barschen Kommentare und sein Herumpoltern schon gar nicht mehr vorstellen konnten. Seine Liebenswürdigkeit bewies er durch andere Dinge wie prompte Anfahrten und kräftiges Zupacken, durch alles also, wofür man seine Zunge nicht benötigte. Wer in Stockholm eines gewaltsamen Todes gestorben war, musste danach auch noch Pers schlechte Laune ertragen.
    »Du siehst aus wie ein Tanzbär, Per!«, fand Kjell, ohne dafür den Blick von dem Plakat an der Wand lösen zu müssen.
    »Tanzper«, flüsterte Sofi.
    Kjell und Sofi lachten.
    »Leckt mich einfach«, brummte Per und wandte sich wieder seiner Arbeit zu.
    In der Küche stand die Luke der Spülmaschine offen, die beiden Laden waren herausgezogen.
    »Als wir die Wohnungstür öffneten, lief die Maschine«, sagte Viktoria. »Nachdem wir den Toten entdeckt hatten, haben wir sie sofort ausgeschaltet und geöffnet. Der Brieföffner lag im oberen Fach.«
    Die Maschine quoll über, sie enthielt die übliche Haushaltsladung: Teller, Tassen, Gläser und Besteck. Alles war noch schmutzig und mit einem weißen Film verschmiert. Kjell kratzte an einem Teller. Es schien nur die Waschlauge zu sein.
    »Wir haben den Inhalt natürlich sofort durchsucht und dabei den Brieföffner entdeckt.«
    Er lag auf dem Küchentisch in einem bereits beschrifteten Biopack für das Labor. Kjell öffnete die Tüte und inspizierte den Inhalt. Die Klinge des
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher