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Der Zeitläufer

Der Zeitläufer

Titel: Der Zeitläufer
Autoren: Donald A. Wollheim
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zu bekommen, ein wenig Boden unter den Füßen zu spüren. Da, ein Stein, der schon seit einer Weile hier lag, und er wollte doch nur einen Blick darauf werfen, doch er wagte es nicht, denn er war so unendlich müde. Und er rutschte, verlor wieder alle Kontrolle über sich selbst, kämpfte noch immer an gegen die erbarmungslose Geschwindigkeit, die ihm ein Abbremsen einfach nicht gestattete.
    Er war auch verletzt. Etwas hatte ihn im Rücken getroffen. Sie hatten ihm etwas getan, und er wußte nicht, was, aber es war irgendwo hinter ihm in dem Kaleidoskop von Gesichtern, Armen, Haken, Strahlen, Jahrhunderten von Kreaturen, die nach ihm griffen, und sein Sauerstoff wurde immer weniger. Ach was, er würde reichen, er mußte reichen, denn er ging nach Hause! Nach Hause! Er hatte vergessen, was er hatte schreien wollen, hoffte aber, irgend jemand würde es irgendwo aufnehmen und verstehen, denn es war eine wichtige Sache, die er ständig wiederholte. Und das Ding, das er bei sich gehabt hatte, war auch verschwunden, ebenso die Kamera, die ihm jemand oder etwas entrissen hatte, doch er war auf dem Weg nach Hause! Ah, wenn er nur diesen grauenhaften Schwung abbremsen könnte! Wenn er auf dem Kurs bleiben, rutschen, gleiten, krabbeln könnte, wenn er nur diese Lawine zu meistern vermöchte, die ihn nach Hause trug! Seine Kehle rief NACH HAUSE, rief Kate, Kate, Kate! Sein Herz schrie, seine Lungen hatte er sich schon fast aus dem Leib geschrien, und seine Beine kämpften noch immer, kämpften, versagten, kämpften, stießen ihn vorwärts, trugen ihn im Wirbelsturm der Zeitflut quer über den Raum, über die Zeit, zum Ende des längsten aller Pfade: zum Pfad von John Delgano, der nach Hause kam.

 
Rache für Valinda
     
    Der Wind pfiff um Skunders Helm, und er fror trotz des dicken Pelzes, als er auf der eisigen Polkappe von Cantek stand. Pulvriger Schnee trieb um seine Stiefel; nervös beobachtete er die beiden Erdenmenschen, die mit dick behandschuhten Händen ungeschickt an ihren Instrumenten hantierten.
    »Hier ist eine deutliche Spur«, sagte der kleinere der beiden Männer, der Captain. »Direkt unter uns. Tiefe etwa hundert Meter. Muß ein ganz großer sein.«
    »Bist du sicher?« fragte der Größere. Seine Stimme klang zynisch wie immer. »Ich meine, wir wären Narren, wenn wir auf einem Eisfeld ohne Propeller auf See hinaustrieben, Erkelens.«
    »Ich transportiere Eisfelder jetzt seit ein paar Jahren und kenne eine Spur, wenn ich eine sehe«, erklärte der Mann geduldig. Er deutete auf den Sichtschirm. »Siehst du den Schatten? Das hier ist ein Bergwurm, ungefähr vierhundert Meter lang. Ein guter Wurm.«
    Rosskidd lachte trocken. »Dann weißt du wohl auch, wo er seinen Kopf hat?«
    Erkelens blickte über die blendenden Schneefelder der schwimmenden Eisberge und weiter über den grausilbernen Ozean, der sich in stürmischen Wellen von einem Horizont zum anderen warf. Dann deutete er mit einem Handschuhfinger auf den Schirm.
    »Der Kopf ist hier. Schaut nach Nordosten, gegen den Gezeitenstrom.«
    Skunder wunderte sich immer wieder darüber, daß diese Erdenmenschen sich so restlos auf ihre elektronische Ausrüstung verließen. Er, Skunder, ein Cantek-Geborener, wußte, daß der Bergwurm dort unten war. Er hatte den beiden ja gesagt, wo sie suchen mußten. Als der Helikopter über die Stelle hinwegflog, hatte er die Anwesenheit des riesigen Seewurms gefühlt – als nervöse Leere in seinem Magen, als Klirren in seinen Knochen. Er spürte das obszöne warme Fett phosphoreszierenden Todes, der tief im Eis begraben war, der riesige Wassermengen in sich hineinsog, Plankton und größere Fische herausfilterte und aus seiner Analöffnung ungeheure Ströme denaturierten Wassers abließ. Er hing an der Unterseite der Treibeisberge wie ein umgekehrtes U. Der stark phosphorhaltige Körper blieb auf diese Art kühl, während das mörderische Maul im dunklen Wasser hing. Skunder schüttelte sich.
    »Du, Cantek ... Skunder, stelle das Zelt auf!«
    Er zog die flachen Falten der rosa Polyäthylenhaut sorgfältig auseinander und setzte das Ventil ein. Dann zischte die Luft, das Zelt hob sich knisternd und stand wenig später als Kuppel auf der Schneefläche.
    Skunder lachte in sich hinein. Manchmal staunte er über die technologische Überlegenheit der Erde, über die Plastik- und Atommaterialien, die Perfektion der Maschinerie. Und dann dachte er: Trotzdem brauchen sie mich, wenn sie mit dem Bergwurm fertig werden wollen. In
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