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Der Wunschzettelzauber

Der Wunschzettelzauber

Titel: Der Wunschzettelzauber
Autoren: Muriel Zagha
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Oberschenkel sich an der Innenseite nie berührten. Heute hatten sie, wie die Leute in der U-Bahn zu Stoßzeiten, keine Wahl, als sich möglichst unauffällig aneinanderzupressen.
    Â»Unsinn«, widersprach Sally kopfschüttelnd. »Du bist noch immer zierlich wie ein Fohlen.«
    Â»Ich? Zierlich wie ein Fohlen? Äh … ich glaube, du sprichst von einer anderen«, erwiderte Chloe. Vorbei waren auch die Tage, als sie einfach ein T-Shirt überziehen und sorglos ohne BH in die Welt hinausgehen konnte. Irgendwann während der letzten Jahre hatte sich ihr Busen in einem Maße entwickelt, dass er zwar noch immer von relativ bescheidener Größe war, aber dennoch tagaus, tagein einer Rüstung bedurfte. »Nein, ich bin inzwischen eigentlich mehr wie …«
    Â»Eine Mutterstute?«, schlug Sally vor. »Eine Mutterstute mit ­rotem Haar?«
    Â»Ja«, lächelte Chloe und fuhr sich mit den Fingern durch ihre tizianrote Haarmähne. »Aber das ist gar nicht so schlimm. Eigentlich gefällt mir das, du blöde Kuh.«
    Â»Ach herrje, muuh . Hey, sieh mich an. Ich steh gleich auf der Weide nebenan.«
    Ja, ihr Äußeres hatte sich ein wenig verändert, dachte Chloe. Das ließ sich nicht bestreiten. Machte es ihr wirklich etwas aus? Oder Sally? Nein, nicht einen Bruchteil von dem, was sie sich in ihren Zwanzigern mit Grauen ausgemalt hatten.
    Seit diesen sorglosen Tagen hatte sich so vieles geändert. Chloe hatte drei Jahre in Paris gelebt und für das Enfant terrible der Modebranche, Kit Maddox, gearbeitet. Es war eine wilde Zeit gewesen, in der sie sich in das Pariser Leben gestürzt und Sally dabei aus den Augen verloren hatte.
    Inzwischen hatte die schöne und vor Lebensfreude überschäumende Sally das Herz von Philip erobert, dem wohl ernsthaftesten und am wenigsten modebewussten Mann in ganz London – wenn nicht auf der ganzen Welt. Der auf dezente Weise gutaussehende, hochsensible Philip war ihr so nachhaltig unter die Haut gegangen, dass sie die Waffen streckte. Sie hatten geheiratet und schienen sehr glücklich miteinander zu sein.
    Paris hatte Chloes Leben völlig auf den Kopf gestellt. Ein wahnsinnig gutaussehender Franzose hatte ihr den Hof gemacht, hatte sie angebetet und auf Händen getragen und ihr Herz buchstäblich im Sturm erobert. Antoine und sie hatten nach kürzester Zeit geheiratet, und die Erinnerung daran, wie sie vor dem Standesamt des Siebten Arrondissements in sein Gesicht geblickt und seine Hand gehalten hatte, war unauslöschlich in ihr Gedächtnis eingegraben. Es war eine romantische Traumhochzeit. Chloes Eltern und ihr Bruder James waren von London herübergekommen und Antoines Eltern aus dem Burgund heraufgefahren. Sie alle wirkten ein wenig wie vor den Kopf gestoßen, weil alles so schnell gegangen war, aber sie freuten sich dennoch für ihre Kinder, die vor Glück strahlten. Auch ein paar Pariser Freunde hatten an der Feier teilgenommen, ebenso die zauberhafte Rosine, Antoines Patentante, die auf Montmartre lebte.
    Nur eine Person fehlte: Guillaume, Antoines Freund aus Kindheitstagen, der in Neuseeland lebte und nicht mehr rechtzeitig einen Flug nach Paris bekommen hatte. Antoine war deswegen erst ziemlich geknickt gewesen, doch als er Chloe bei der Trauung in einem schlichten, kurzen weißen Kleid mit einem Sträußchen weißer Rosen auf sich zukommen sah, hatte er keinen Gedanken mehr daran verschwendet. Und bald nach ihren Flitterwochen auf Guadalupe war Chloe auch schon mit Nicolas schwanger geworden – eine weitere sonnige, glückliche Erinnerung.
    Chloe hob den Blick vom Armaturenbrett in Sallys Wagen und unterbrach bewusst ihren Gedankenfluss. Sie hatte sich das als Ausweg aus der tiefen Trauer um Antoine angewöhnt.
    Â»Wir sind jetzt reife Frauen«, sagte sie zu Sally. »Keine gertenschlanken jungen Hüpfer mehr, die nur von Zigaretten und Luft und Liebe leben.«
    Â»Ach«, machte Sally und setzte ein ironisches »natüüürlich« hinzu.
    Â»Nein, wirklich. Sieh uns doch an: zwei Göttinnen der Fruchtbarkeit«, fuhr Chloe neckend fort und bemerkte, wie ihre Freundin hinter ihrer Prada-Sonnenbrille zusammenzuckte. Diese Beschreibung rief Schreckensbilder in Sally wach – und zwar an jene furchterregende, selbstgerechte Sorte von Müttern, die sie immer als »die Birkenstock-Trampeltier-Brigade« bezeichnete. »Sei doch froh
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