Der Weg nach Kaarborg: Ragnor Band 2 (German Edition)
hatte kontrollieren können. Er war im Nachhinein nur froh, dass keiner seiner Gegner zur Waffe gegriffen hatte, sonst hätte die Sache viel schlimmer ausgehen können, und es hätte möglicherweise Tote gegeben.
Als Ragnor in dieser Nacht zu seiner Krankenwache, eine Stunde nach Mitternacht, Ansgar ablöste, der ohne ein Wort zu sagen völlig deprimiert in sein Quartier schlich, war er tiefer aufgewühlt als je zuvor. Die Schlägerei im Wirtshaus, und der sich ständig verschlechternde Zustand seiner kleinen Schwester, ließen ihn zum ersten Mal in seinem Leben so völlig ohne Hoffnung am Boden liegen. Das war für sein forschendes und optimistisches Wesen ein völlig unbekannter und unerträglicher Zustand, der ihn fast zur Verzweiflung brachte. Er, der immer eine Idee gehabt hatte, was man tun konnte, wenn er sich einer Aufgabe gegenübersah, war plötzlich völlig hilflos. Wie gerne hätte er seinen Adelstitel, seine Ritterausbildung und alles was er besaß geopfert, wenn er der Kleinen nur hätte helfen können.
Ragnor sah auf seine kleine Schwester hinab, die im roten Scheine von Ximonar, bleich und ausgezehrt, vor ihm lag, und plötzlich wusste er, dass sie nicht mehr lange zu leben hatte, wenn kein Wunder geschah. Er öffnete vorsichtig ihren Mund, feuchtete ihn an, wie er es immer tat, wenn er seine Wache übernahm, obwohl er genau wusste, dass Ansgar es kurz vorher sicherlich erst getan hatte. Verzweifelt nahm er dann wie bei allen vorangegangenen Nächten ihre Hand und versuchte, ob er nicht wie bei Rurigs Vergiftung irgendetwas Überraschendes tun konnte, indem seine Hand mit dem Quasarring auf ihrer Rechten ruhte. Doch nichts war passiert. Er hatte dabei unentwegt zu Ama gebetet, dass er ihm helfen möge, doch von Nacht zu Nacht sank sein Mut, und er glaubte nicht mehr, dass sich das Wunder wiederholen konnte. Er hatte sich den Kopf zermartert, woran das wohl liegen könnte, dass es diesmal nicht funktionierte.War es der Umstand, dass hier keine Vergiftung, sondern eine schwere Verletzung vorlag, oder war es etwas ganz anderes. Da er überhaupt keine Ahnung hatte, was damals passiert war und welche Mechanismen der Heilung von Rurig zugrunde gelegen hatten, hatte er nicht den geringsten Ansatzpunkt, und er verfluchte mehr als einmal, dass er damals nicht versucht hatte, mehr darüber herauszufinden. Aber selbst wenn er es versucht hätte, wie und wo hätte er anfangen sollen. So rasten seine Gedanken permanent im Kreis herum, ohne auch nur einen minimalen Lösungsansatz zu finden. Einmal versuchte er in seinen Quasarring einzutauchen, um über das 'rote Tor' zu Mirana vorzudringen, nachdem dies immer wieder scheiterte, zermarterte er sich wieder das Hirn, was er wohl falsch gemacht haben könnte.Langsam steigerte er sich in eine fast hysterische Erschöpfung hinein, die durch die körperliche Anstrengung der vorangegangenen Schlägerei noch begünstigt wurde. Am Rande der Erschöpfung, und völlig verzweifelt, nahm er den bandagierten Kopf von Mirana vorsichtig in beide Hände und ließ seinen Tränen freien Lauf.
Völlig erledigt sank er in dieser Stellung in einen tiefen Erschöpfungsschlaf, der einen sehr seltsamen Verlauf nahm: Zuerst erschien es ihm, als ob er völlig im Dunklen schwebte, unfähig sich zu rühren, während sein Gehirn schwer wie Blei war. Dann war ihm, als ob er langsam, aber noch immer völlig im Dunklen, nach oben stieg und sein Gehirn dabei mit fortschreitendem Aufstieg ein klein wenig leichter wurde. Es gelang ihm schließlich den Kopf zu heben, und er sah hoch über sich einen hellen Punkt, der sich nach und nach zu einer fahlhellen Kugel vergrößerte, als er sich langsam näherte.
Sein Gehirn schien ein wenig zu erwachen und so etwas wie Neugier wurde in ihm wach, als er sich weiter näherte. Während er noch darüber rätselte, was das wohl sein könnte, beschleunigte sich plötzlich seine Annäherung je näher er kam, so als ob ihn die Kugel immer schneller anziehen würde. Nach kurzer Zeit näherte sie sich ihr in rasender Geschwindigkeit, sodass er, bevor er durch sie hindurch drang, nur noch erkennen konnte, dass es irgendetwas unregelmäßig geformtes, mit irgendwelchen Öffnungen war, in das er da eindrang und keine Kugel, wie er bisher gedacht hatte.Zunächst dauerte es eine ganze Weile, bis er sich in der Helligkeit, in der er nun schwebte, orientieren konnte. Langsam erkannte er, dass er sich in einer seltsam homogen gestalteten Umgebung befand, die eine
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