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Der Waldläufer

Der Waldläufer

Titel: Der Waldläufer
Autoren: Karl May
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Drei zur Tribüne emporstiegen.
    Die Vaquero’s hatten schon während des vorigen Tages die Savanne abgetrieben und in der Nacht den Kreis um die wilden Pferde immer enger gezogen. In Erwartung des Kommenden wurde jede Unterhaltung abgebrochen. Das Geschrei einer Weihe, welche über die Lichtung flog, hatte die Vögel des Waldes zum Schweigen gebracht, und so herrschte die vollständigste Ruhe ringsumher.
    Da erscholl mitten durch diese Stille das schrille Pfeifen der Vaquero’s aus der Tiefe des Waldes. Dann ertönte ein lautes, durchdringendes Geschrei, welches sich von allen Seiten näherte. Kurze Zeit darauf ließ sich ein Wiehern vernehmen, welches schnell näher kam und auf eine beträchtliche Anzahl wilder Pferde schließen ließ. Das Getöse vermehrte und vergrößerte sich, die Kavallade war schon so nahe, daß man ihr ängstliches Schnauben vernehmen konnte. Alle Bewohner des Waldes wurden unruhig vor Schrecken; Schaaren von Vögeln flogen kreischend auf; Eulen flatterten verstört im Lichte des Tages, und Hirsche entflohen schreiend aus ihren verborgenen Zufluchtsörtern.

    Da krachten die Sträucher; junge Bäume ächzten unter dem Anlaufe der Pferde; das Pfeifen, Schreien und Heulen der Treiber wurde ein beinahe dämonisches, und jetzt öffnete sich der grüne Vorhang, welcher die Lichtung einschloß, um ein ganzes Meer von wogenden Köpfen und Körpern hindurchzulassen, die mit flammenden Augen, rothen, dampfenden Nüstern, flatternden Mähnen und fliegenden Schweifen, vor den Vaquero’s fliehend, zwischen Wald und See gerade nach dem Corral zu sprengten.
    Vor demselben staute sich das vielfarbige Meer einen Augenblick lang auf; die blitzenden Augen der vordersten Thiere richteten sich argwöhnisch auf das mit Zweigen verhüllte Pfahlwerk; aber die Treiber ließen ihnen keinen Ausweg; ein herrlicher, prachtvoller Schimmelhengst führte die Heerde; er konnte dem Drängen hinter sich nicht widerstehen und stürzte mit gesenktem Kopfe in den Corral – die ganze, zwei-bis dreihundert Stücke zählende Kavallade hinter ihm drein.
    »Hurrah, hurrah, wir haben sie!« rief es rundum von den Tribünen und aus dem Munde der Vaquero’s, welche sich beeilten, die starken Riegelbalken vorzuschieben.
    In dieses Siegesgeschrei mischte sich eine Stimme, welche alle andern übertönte:
    »Er ists, er ists,
heigh-ho,
er ists!«
    »Wer denn, Sir Wallerstone?« frug Don Augustin.
    »Goddam, seht Ihr ihn denn nicht, den weißen Renner der Prairie? Dort den Schimmelhengst, dem die andern folgten!«
    Einige Sekunden verflossen, ohne daß die stolzen Kinder der Savanne und des Waldes etwas merkten; als sie aber bemerkten, daß sie von einer festen Mauer von Baumstämmen umgeben seien, erscholl ein Wiehern rasenden Schmerzes, ähnlich dem Schmettern von tausend Trompeten. Sie suchten einen Ausweg, ohne ihn zu finden. Ihre Augen sprüheten; die erschreckten Köpfe warfen ganze Wogen weißen Schaumes von sich, und in einem wirren Durcheinander kreuzten und umsprengten sie sich.
    Das schnellste und aufgeregteste von allen war der Schimmel, ein Thier vom fleckenlosesten Weiß, wie die Blüthe der Wasserlilie. Das stolze Thier stürzte von einem Ende des Corrals zum andern und warf diejenigen seiner Unglücksgefährten, welche dem Stoße seiner Brust nicht auszuweichen vermochten, in seinem Zorne zu Boden. Ein weiter Raum bildete sich um das umherfliegende Thier, welches seine weiße Mähne schüttelte und mit seinem wüthenden Gewieher die Luft erfüllte.
    Diaz sprang auf und beugte sich weit vor. Er war einer der kühnsten Reiter und genoß den Anblick des Pferdes mit wahrhaftiger Begeisterung.
    »Dieses Thier wird frei oder es stirbt,« rief er. »Es ist nicht zu bändigen!«
    »Nicht?« rief Fabian.
    Seine Augen blitzten; seine Wangen rötheten sich.
    »Paßt auf, Sennores, was Tiburcio Arellanos kann!«
    Im Augenblicke war er von der Tribüne herab und im Walde verschwunden.
    Die Mustangs rannten gegen das Pfahlwerk; es war zu stark und widerstand dem fürchterlichen Anpralle; es stöhnte und krachte, aber es gab nicht nach. Ein feuchter Dunst schwebte wirbelnd über den keuchenden Thieren. Die einen bissen wüthend in die unerschütterlichen Palissaden, andere scharrten die Erde mit den Hufen auf; noch andere stürzten, von ihrer leidenschaftlichen Wuth übermannt, wie vom Blitze getroffen und ohne sich wieder zu erheben, zu Boden, und die grimmigsten schlugen und bissen nach ihren Gefährten. Dann hörte die Kavallade,
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