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Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats

Titel: Der Ursprung der Familie, des Privateigenthums und des Staats
Autoren: Friedrich Engels
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(1874) und selbst noch Lubbock's Origin of Civilisation (4. Auflage, 1882).
    An diesem Punkt setzt Morgan's Hauptwerk an: Ancient Society (1877), das Werk, das der gegenwärtigen Arbeit zu Grunde liegt. Was Morgan 1871 nur noch dunkel ahnte, das ist hier mit vollem Bewußtsein entwickelt. Endogamie und Exogamie bilden keinen Gegensatz; exogame »Stämme« sind bis jetzt nirgends nachgewiesen. Aber zur Zeit, wo die Gruppenehe noch herrschte – und sie hat aller Wahrscheinlichkeit nach überall einmal geherrscht – gliederte sich der Stamm in eine Anzahl von, auf Mutterseite blutsverwandten Gruppen, Gentes, innerhalb deren strenges Eheverbot herrschte, so daß die Männer einer Gens ihre Frauen zwar innerhalb des Stammes nehmen konnten, und in der Regel nahmen, aber sie außerhalb ihrer Gens nehmen mußten. So daß, wenn die Gens streng exogam, der die Gesammtheit der Gentes umfassende Stamm eben so sehr endogam war. Damit war der letzte Rest der MacLennan'schen Künstelei endgültig abgethan.
    Hiermit aber begnügte sich Morgan nicht. Die Gens der amerikanischen Indianer diente ihm ferner dazu, den zweiten entscheidenden Fortschritt auf dem von ihm untersuchten Gebiet zu machen. In dieser, nach Mutterrecht organisirten Gens entdeckte er die Urform, woraus sich die spätere, vaterrechtlich organisirte Gens entwickelt hatte, die Gens wie wir sie bei den antiken Kulturvölkern finden. Die griechische und römische Gens, allen bisherigen Geschichtschreibern ein Räthsel, war erklärt aus der indianischen, und damit eine neue Grundlage gefunden für die ganze Urgeschichte.
    Diese Wiederentdeckung der ursprünglichen mutterrechtlichen Gens als der Vorstufe der vaterrechtlichen Gens der Kulturvölker, hat für die Urgeschichte dieselbe Bedeutung, wie Darwin's Entwicklungstheorie für die Biologie und Marx' Mehrwerthstheorie für die politische Oekonomie. Sie befähigte Morgan, zum ersten Mal eine Geschichte der Familie zu entwerfen, worin wenigstens die klassischen Entwicklungsstufen im Ganzen und Großen, soweit das heute bekannte Material erlaubt, vorläufig festgestellt sind. Daß hiermit eine neue Epoche der Behandlung der Urgeschichte beginnt, ist vor aller Augen klar. Die mutterrechtliche Gens ist der Angelpunkt geworden, um den sich diese ganze Wissenschaft dreht; seit ihrer Entdeckung weiß man, in welcher Richtung und wonach man zu forschen, und wie man das Erforschte zu gruppiren hat. Und dementsprechend werden jetzt auf diesem Gebiet ganz anders rasche Fortschritte gemacht als vor Morgan's Buch.
    Die Entdeckungen Morgan's sind jetzt allgemein anerkannt, oder vielmehr angeeignet von den Prähistorikern auch in England. Aber fast bei keinem findet sich das offene Zugeständniß, daß es Morgan ist, dem wir diese Revolution der Anschauungen verdanken. In England ist sein Buch so weit wie möglich todtgeschwiegen, er selbst mit herablassendem Lob wegen seiner früheren Leistungen abgefertigt worden; an den Einzelheiten seiner Darstellung klaubt man eifrig herum, von seinen wirklich großen Entdeckungen schweigt man hartnäckig. Ancient Society ist in der Originalausgabe vergriffen; in Amerika ist für so etwas kein lohnender Absatz; in England wurde das Buch, scheint es, systematisch unterdrückt, und die einzige Ausgabe dieses epochemachenden Werks, die noch im Buchhandel circulirt, ist – die deutsche Übersetzung.
    Woher diese Zurückhaltung, in der es schwer ist, nicht eine Todtschweigungs-Verschwörung zu sehen, besonders gegenüber den zahlreichen bloßen Höflichkeitscitaten und andern Beweisen von Kamaraderie, wovon die Schriften unsrer anerkannten Prähistoriker wimmeln? Etwa weil Morgan ein Amerikaner ist, und es sehr hart ist für die englischen Prähistoriker, daß sie, trotz alles höchst anerkennenswerthen Fleißes im Zusammentragen von Material, für die bei der Ordnung und Gruppirung dieses Materials geltenden allgemeinen Gesichtspunkte, kurz für ihre Ideen, angewiesen sind auf zwei geniale Ausländer, auf Bachofen und Morgan? Den Deutschen konnte man sich noch gefallen lassen, aber den Amerikaner? Gegenüber dem Amerikaner wird jeder Engländer patriotisch, wovon ich in den Vereinigten Staaten ergötzliche Beispiele gesehn. Nun kommt aber noch dazu, daß MacLennan der sozusagen amtlich ernannte Stifter und Führer der englischen prähistorischen Schule war; daß es gewissermassen zum prähistorischen guten Ton gehörte, nur mit der höchsten Ehrfurcht von seiner verkünstelten, vom Kindermord
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