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Der unsichtbare Feind

Der unsichtbare Feind

Titel: Der unsichtbare Feind
Autoren: Hans Kneifel
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wissen.
    »Nur mit dir und deinem Steuermann«, läutete die Antwort. »Laßt ihn nicht warten; es ist so, daß er leicht seine Geduld verliert.«
    Hesert hob beide Arme in einer beschwörenden Geste.
    »Wir haben lange warten müssen, um ihm das Wunder von Lyrland näherbringen zu dürfen. Wenn jemand ungeduldig werden soll, dann sind wohl wir es. In unserer Heimat warten wichtige Aufgaben auf jeden von uns. Sage es dem Hexenmeister, Mann!«
    Der Krieger nickte gelassen.
    »Ich werd’s ihm berichten, Lumina!«
    Langsam stieg er wieder die Stufen hinunter und ging gemessenen Schrittes in die Richtung der Steinbauten. In der kühlen Morgenluft lag der Geruch der erloschenen Fackeln und der kalten Herdfeuer. Krebse und fingerlange Würmer krochen über den Strand, unmittelbar neben der Wassergrenze.
    »Keine Furcht!« sagte Luxon, als der Calcoper außer Hörweite war.
    »Wir leben noch. Nicht einmal die Dunkeljäger und Magier von Yucazan haben uns etwas anhaben können.«
    Wie immer reichte seine Zuversicht für zehn Männer.
    Sie aßen, leerten die Becher mit dem würzigen, mit Honig gesüßten Tee und warteten, bis die Sonne zwei Handbreit höher geklettert war. Dann standen Hesert und der Steuermann auf, nickten ihren Kameraden zu und gingen, nur mit den Dolchen bewaffnet, quer über den kleinen runden Sandplatz auf den Tempel zu. An dessen Eingängen standen Doppelwachen, die Hände an den Griffen der Hohlschwerter. Sie blickten starr geradeaus und schienen die zwei Fremdlinge nicht wahrzunehmen.
    Das doppelte Holztor des Tempels wurde von innen geöffnet.
    Die Balken, mit schweren Bronzeriegeln und Scharnieren versehen, waren stark verwittert. Aber die Angeln kreischten nicht, als die kantigen Teile aufschwangen. Luxon und Hesert blickten geradeaus in den Tempel hinein.
    Vor einer großen, verzierten Wand aus hellem Stein stand ein kantiger Sitz, der sich über eine flache Erhöhung aus mehreren Stufen erhob. Der Sitz war mit Fellen und Tüchern bedeckt, ebenso wie ein Teil der Stufen.
    Aus drei kantigen Fenstern, die nach Osten zeigten, drangen die Sonnenstrahlen in das dunkle Innere des langgezogenen Tempels.
    Der Hexenmeister hatte die frühe Stunde aus guten Gründen gewählt!
    Der oberste Balken aus gleißender Helligkeit, in der die Staubteilchen einen geisterhaften Tanz aufführten, schien ein Loch in den Stein des Altars brennen zu wollen. In der Mitte der Vertiefungen und Vorsprünge, die rankenden Linien und Gesichter, die zusammengenommen wohl das HÖCHSTE versinnbildlichen sollten, schälte sich eine hoheitsvolle andeutungsweise menschliche Fratze hervor.
    Langsam, mit zögernden Schritten, gingen die beiden Fremdlinge auf den Thron zu.
    Der mittlere Lichtspeer traf den Hexenmeister von rechts und modellierte seinen Kopf und den Oberkörper schroff hervor. Der Hexenmeister, einer von sieben, war hager und groß, selbst im Sitzen. Der Kopf sah kantig aus, ausgemergelt, von tiefen Runen durchzogen und mit einem glatten, völlig haarlosen Schädel. Das Kinn war unter einem schimmernden weißen Bart versteckt. Der Brustpanzer mit dem grimmigen Abbild des Lichtboten schien in den Sonnenstrahlen zu brennen.
    Schon der erste Blick Luxons in das langgezogene Gesicht und die großen, brennenden Augen sagten ihm, daß dieser Mann machtlüstern und bewandert in den Künsten der Intrige war.
    Dennoch sagte er ruhig:
    »Wir kommen, um dir das Wunder von Lyrland zu schildern, wie wir es auch schon in Yucazan getan haben.«
    Mit dunkler, seltsam knarrender Stimme erwiderte Aiquos:
    »Ich, der an Jahren des Dienstes Älteste, der Wortführer der mächtigen Sieben, habe euch gerufen, um diese seltsame Botschaft zu hören.«
    Als die Blicke Heserts und Luxons auf das Ziel des dritten Bündels langsam wandernder Sonnenstrahlen fielen, wußten sie, daß sie in der Nacht wirklich heimgesucht worden waren.
    Ein seltsames Wesen kauerte auf einer der Stufen. Es war in ein großes, faltenreiches Tuch von gelber Farbe gehüllt, die im härten Licht ebenfalls magisch aufleuchtete.
    Sechs Augen und drei funkelnde Stirnsteine blickten die Fremden an.
    Drei Gesichter, von einer Flut langer Haare umgeben, hatten sich dem Eingang und den Gestalten zugewandt. Knirschend schloß sich jetzt das Portal des Tempels. Unfähig, ihr Erstaunen zu verbergen, musterten Luxon und Hesert die seltsame Dreiheit.
    Mit einer Betonung, die Härte und Grausamkeit erkennen ließ, sagte der Hexenmeister beiläufig:
    »Das sind meine Duinen. Links seht
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