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Der Tuchhändler (German Edition)

Der Tuchhändler (German Edition)

Titel: Der Tuchhändler (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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Argumentation weckte in mir die gleiche Wut wie damals.
    »Ich hatte mir vorgenommen, Euch zu treffen, nachdem die Verhandlungen abgeschlossen wären«, sagte er. »Es stellte sich heraus, daß Ihr im Zorn aus dem Dienst des Bischofs ausgeschieden und verschwunden wart. Ich war zu beschäftigt, um nach Euch suchen zu lassen.«
    Er lachte plötzlich ohne Humor auf.
    »Dabei waren wir die ganze Zeit in der gleichen Stadt. Hätte ich mich nur einmal mit dem Geschäftsleben in Landshut auseinandergesetzt…«
    Auf einmal trat er einen Schritt auf mich zu. Er war kleiner als ich. Er ballte eine Hand zur Faust und hob sie vor mein Gesicht. Seine Augen funkelten im Fackellicht.
    »Was glaubt Ihr, mit welchem Gefühl ich Euch seinerzeit meine Hilfe versagt habe?« zischte er. »Was glaubt Ihr, habe ich verspürt, als Ihr in Euren Briefen die Tat so lebhaft beschrieben habt? Ich hatte selbst Töchter, damals. Aber heute mache ich es wieder gut. Seht dort hinunter und sagt mir, ob Ihr etwas anderes seht als das, was dort in dem Haus passiert ist. Vielleicht ist Euch der Herzog egal und was passiert, wenn diese Hochzeit abgesagt wird; aber die Gerechtigkeit ist Euch nicht egal, und ich biete Euch die Chance, dafür zu sorgen, daß ihr Genüge getan wird. Ich gebe Euch alle Mittel in die Hand. Ihr braucht Geld? Sagt es mir. Ihr braucht Vollmachten? Ich gebe sie Euch unbesehen. Ihr und ich«, sagte er, »wir haben seit zwölf Jahren einen Pakt. Wir haben aus politischen Erwägungen die Gerechtigkeit im Stich gelassen: Ihr gezwungenermaßen, ich mit vollem Bewußtsein. Heute gibt uns das Schicksal die Gelegenheit zurück: Aus politischen Erwägungen müssen wir der Gerechtigkeit zu ihrem Recht verhelfen. Laßt uns diesen Pakt jetzt erfüllen. Helft mir, und ich helfe Euch, eine gute Erinnerung jener bitteren entgegenzusetzen.«
    Er öffnete die Hand und streckte sie mir entgegen. Ich starrte auf ihn hinunter. Ich wollte sie nicht nehmen. Ich wollte nach Hause zurückkehren und mich wieder mit meinen Handelsgeschäften befassen, die Maria soviel Sicherheit gegeben hatten; zu denen Maria mich gedrängt hatte, nachdem ich Bischof Peter verlassen hatte und ohne Einkommen auf der Straße stand. Ich wollte niemals wieder etwas damit zu tun haben, der Gerechtigkeit zu helfen. Ich wollte mich in meiner Stube verstecken und bis in die Nacht über meiner Arbeit brüten, die ich kaum jemals mit wirklicher Geschicklichkeit erledigte und die ich niemandem anvertrauen wollte, weil ich selbst kein Vertrauen in ihre Gesetzmäßigkeiten hatte.
    – Ich wollte niemals wieder die Tränen einer Mutter sehen, wenn sie durch das Gitter des Kerkers dem Mann ins Gesicht spuckte, der ihren Sohn im Wirtshaus erschlagen hatte und den ich dorthin gebracht hatte, und niemals wieder die Tränen eines Vagabunden, nachdem ich die Richter davon überzeugt hatte, daß er unschuldig eingekerkert worden war .
    Niemals.
    – Niemals?
    Ich wollte
    – ich wollte, Maria wäre noch hier, um meinem Leben Sinn zu geben .
    Maria war nicht mehr am Leben. Was am Leben war, waren meine Alpträume.
    Ich ergriff des Kanzlers Hand und drückte sie.
    Es war keine Erleichterung in den Gesichtern der Männer zu sehen. Ich blickte von einem zum anderen und kam mir vor wie ein Idiot. Ich sah nach unten, wo sich meine Hand noch immer im Griff des Kanzlers befand, und hätte gerne gerufen: Ich habe es nicht so gemeint; aber es war zu spät. Ich seufzte.
    Der Kanzler schloß die Augen und klopfte mir auf die Schulter. Seine Wangen schienen mit einem Mal noch mehr nach unten zu sacken. Er flüsterte heiser: »Gott helfe Euch.« Er ließ meine Hand los.
    Ich riß mich zusammen und sagte mit einer Leichtigkeit, die ich nicht verspürte: »Er sollte sich in den nächsten zwei Wochen nichts anderes vornehmen.«
    Der Kanzler musterte mich, als würde er sich unter den geänderten Umständen mein Gesicht nochmals einprägen wollen; Richter Girigel hatte seine Maske aus Gelassenheit wieder übergezogen und blickte mich mit seinen scharfen Vogelaugen an; der polnische Ritter hatte die seinen zu schmalen Schlitzen geschlossen und ließ mich eine Reihe gebleckter Zähne unter seinem buschigen Schnauzbart sehen; Hanns Altdorfers Augen glänzten, als wären sie vor Erregung feucht. Ich gab seinen Blick zurück, und mir wurde klar, wie müde und verängstigt er tatsächlich aussah.
    »Ich bin froh, daß Ihr uns helfen wollt«, sagte der Kanzler zu mir.
    »Ich nicht«, grollte Moniwid. »Mir gefällt
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