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Der Traum des Wolfs

Der Traum des Wolfs

Titel: Der Traum des Wolfs
Autoren: Robert Jordan , Brandon Sanderson
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Goldstücken.
    Aran’gar wollte sie bloß provozieren. Graendal unterdrückte ihre Gereiztheit. Das Feuer im Kamin brannte nur noch niedrig, aber die Flügeltür, die auf den befestigten Wehrgang drei Stockwerke hoch in der Luft führte, stand offen und ließ die kühle Brise Landluft ein. Sie ließ nur selten ein Fenster oder eine Tür geöffnet, aber heute gefiel ihr der Kontrast: Wärme von der einen Seite, eine kühle Brise von der anderen.
    Der Sinn des Lebens bestand darin, etwas zu fühlen. Berührungen der Haut, sowohl leidenschaftlich wie auch eiskalt. Alles, nur nicht das Normale, das Gewöhnliche, das Lauwarme.
    »Hört Ihr mir überhaupt zu?«, fragte Aran’gar.
    »Ich höre immer zu«, erwiderte Graendal, stellte den Pokal ab und setzte sich auf ihrem eigenen Diwan auf. Sie trug ein goldenes, alles verhüllendes Kleid, bis zum Hals zugeknöpft, aber dennoch durchscheinend. Was für eine wunderbare Mode diese Domani doch hatten; sie gestattete tiefe Einblicke und war doch ideal, um aufreizend zu sein.
    »Ich verabscheue es, so weit abseits von den Dingen zu sein«, fuhr Aran’gar fort. »Dieses Zeitalter ist aufregend. Primitive Menschen können so interessant sein.« Die Frau mit der Elfenbeinhaut und den üppigen Kurven drückte den Rücken durch und streckte die Arme in Richtung Wand. »Wir verpassen die ganze Aufregung.«
    »Aufregung verfolgt man am besten aus der Distanz«, sagte Graendal. »Eigentlich hätte ich gedacht, dass Ihr das begriffen habt.«
    Aran’gar verstummte. Der Große Herr war nicht zufrieden mit ihr gewesen, dass sie die Kontrolle über Egwene al’Vere verloren hatte.
    »Nun.« Aran’gar stand auf. »Wenn das Eure Meinung dazu ist, suche ich mir eine interessantere Abendbeschäftigung.«
    Ihre Stimme war kühl; möglicherweise zeigte ihre Allianz Abnutzungserscheinungen. In diesem Fall war die Zeit gekommen, sie wieder etwas zu untermauern. Graendal öffnete sich und akzeptierte die Dominanz des Großen Herrn, fühlte die kribbelnde Ekstase seiner Macht, seiner Leidenschaft, seiner Substanz. Dieser reißende, feurige Strom war so viel berauschender als die Eine Macht.
    Er drohte sie zu überwältigen und zu verschlingen, und obwohl sie mit der Wahren Macht gefüllt war, vermochte sie nur ein winziges Tröpfeln davon zu lenken. Ein Geschenk von Moridin. Nein, vom Großen Herrn. Besser, sie fing nicht damit an, die beiden in Gedanken gleichzusetzen. Im Augenblick war Moridin der Nae’blis. Aber nur im Augenblick.
    Graendal webte einen Streifen Luft. Mit der Wahren Macht zu arbeiten ähnelte der Arbeit mit der Einen Macht, war aber nicht identisch. Ein Gewebe aus Wahrer Macht funktionierte oft etwas anders oder brachte unerwartete Nebenwirkungen mit sich. Und einige Gewebe konnten allein mit der Wahren Macht erzeugt werden.
    Die Essenz des Großen Herrn übte einen Zwang auf das Muster aus, setzte es einer großen Belastung aus und hinterließ Narben. Die Energien des Dunklen Königs konnten sogar etwas auftrennen, das dem Willen des Schöpfers zufolge für alle Ewigkeit hätte Bestand haben sollen. Das verkündete eine ewige Wahrheit - kam so nahe an etwas Heiliges heran, wie Graendal bereit war, zu akzeptieren. Was auch immer der Schöpfer erschuf, der Dunkle König konnte es vernichten.
    Sie sandte den Strom Luft Aran’gar hinterher. Die andere Auserwählte war auf den Balkon hinausgetreten; Graendal hatte die Erschaffung von Wegetoren im Haus verboten, damit weder ihre Schoßtiere noch ihre Möbel beschädigt wurden. Sie führte die Luft zu Aran’gars Wange und liebkoste sie.
    Aran’gar erstarrte. Misstrauisch drehte sie sich um, aber es dauerte nur einen kurzen Augenblick, bevor sie die Augen weit aufriss. Keine Gänsehaut auf den Armen hätte ihr verraten können, dass Graendal die Macht lenkte. Die Wahre Macht verriet sich durch nichts. Weder Männer noch Frauen konnten die Gewebe sehen oder spüren - es sei denn, man hatte ihnen das Privileg gewährt, zur Wahren Macht greifen zu können.
    »Was?«, fragte die Frau. »Wie? Moridin ist…«
    »Der Nae’blis«, sagte Graendal. »Ja. Aber dieses eine Mal blieb die Gunst des Großen Herrn nicht auf den Nae’blis beschränkt.« Sie liebkoste Aran’gars Wange weiter, und die Frau errötete.
    Genau wie die anderen Auserwählten verzehrte sich Aran’gar nach der Wahren Macht, während sie sie zugleich fürchtete - sie war gefährlich, angenehm, verführerisch. Als Graendal den Strang Luft zurückzog, kam Aran’gar
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