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Der Traum der Hebamme / Roman

Der Traum der Hebamme / Roman

Titel: Der Traum der Hebamme / Roman
Autoren: Sabine Ebert
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beschützen konnte? Aber wo steckte der? In weniger als einem Lidschlag schossen ihm diese Gedanken durch den Kopf, und schon wollte der alte Hass gegen Reinhard erneut in ihm aufwallen.
    Doch dann sah er in Claras Gesicht und fühlte die gleiche Freude wie sie, als sie sich in die Arme fielen.
    »Du lebst!«, rief sie glücklich. Einen Moment später löste sie sich vorsichtig von ihrem Bruder, wandte sich Dietrich zu und kniete mit gesenktem Kopf vor ihm nieder.
    »Seid gegrüßt, Hoheit«, sagte sie leise mit merkwürdig flatternder Stimme, ohne den Blick zu heben. »Ich danke Euch dafür, dass Ihr mir hier Schutz und Obdach gewährt habt.«
    Dietrich schien ihre Verlegenheit nicht zu bemerken – und wenn er es tat, so gab er das nicht zu erkennen. Er reichte ihr die Hand, um ihr aufzuhelfen, und sagte mit selten gewordenem Lächeln: »Ich freue mich, Euch zu sehen. Doch lasst Euch nicht aufhalten und heißt zuerst Euren Bruder willkommen. Er war in großer Sorge um Euch. Und ich war es auch.«
    Mit einem Mal sehr ernst, wandte sich Clara wieder Thomas zu.
    »Wo ist Roland?«, fragte sie. An der Art, wie sie ihn ansah, wusste er, dass sie die Antwort schon ahnte.
    Clara schluchzte auf, als er nichts sagte, sondern sich seine Züge noch mehr verfinsterten.
    »Ich soll dir von ihm Grüße ausrichten … Das waren seine letzten Worte … Er hat dich sehr geschätzt …«, brachte er mit Mühe heraus. Dabei zerriss ihn beinahe, was er nicht aussprechen durfte: Er hat dich geliebt, von ganzem Herzen geliebt, er wollte um deine Hand anhalten. Stattdessen mussten wir fliehen und dich diesem Reinhard überlassen. Auf diesem ganzen verfluchten Kriegszug dachte er an dich und hoffte, er könnte dich noch freien, wenn er zurückkehrt. Doch dann traf ihn ein Pfeil, als alles schon fast vorbei war, bei einem sinnlosen Scharmützel vor Akkon. Und seine wahren letzten Worte waren: Sag Clara nichts! Ich soll dir nicht verraten, wie sehr er dich geliebt hat, damit du nicht noch mehr um ihn trauerst …
    Thomas zog seine Schwester an sich und hielt sie in seinen Armen, und er hätte beim besten Willen nicht sagen können, wer dabei wem Halt und Stärke gab.
    Nur nebenher bekam Thomas mit, dass sich Dietrich nach dem Befinden seiner Mutter erkundigte und jemand ihm mitteilte, die Fürstin Hedwig sei von Markgraf Albrecht auf ihren Witwensitz nach Burg Seußlitz geschickt worden. Doch sie sende regelmäßig Nachricht und sei bei guter Gesundheit.
    »Wie geht es Mutter und Lukas? Und unseren Brüdern?«, fragte Thomas seine Schwester leise, obwohl er sich vor der Antwort fürchtete.
    »Sie leben«, antwortete Clara zu seiner großen Erleichterung. »In Eisenach, in Diensten von Landgraf Hermann.«
    Sie schniefte, wischte sich die Tränen unbeholfen mit dem Ärmel ab und löste sich aus der Umarmung. Wieder sah sie zu Graf Dietrich, der nahe genug stand, um diese Antwort mitbekommen zu haben.
    »Euer Bruder wollte meinen Stiefvater und meine Mutter töten lassen. Es waren schreckliche Tage, doch gegen jede Hoffnung gelang ihnen die Flucht aus dem Kerker. Eure Mutter bat sie, sich Thüringen als Exil zu wählen. Sie sollen dort bei Landgraf Hermann Fürsprache einlegen, damit er Euch beisteht, falls Euer Bruder Euch angreift – was wir alle befürchten.«
    »Wie ich sehe, gibt es Dringendes zu besprechen«, meinte Dietrich. Er winkte den untersetzten, graubärtigen Mann herbei, der ihm feierlich den Willkommenspokal überreicht hatte, und einen Hageren von etwa fünfzig Jahren mit dunkelbraunem Haar; der guten Ausrüstung nach wahrscheinlich der Befehlshaber der Burgbesatzung.
    »Wünscht Ihr, dass Euch ein Bad bereitet wird?«, erkundigte sich der Graubart.
    So verlockend der Gedanke für Dietrich war, im warmen Wasser von der langen Reise auszuruhen – das musste warten.
    »Gehen wir in meine Kammer. Ich möchte von Euch zuerst die wichtigsten Dinge erfahren, die sich in meiner Abwesenheit zugetragen haben. Mein Ritter und seine Schwester sollen uns begleiten.«
    Die kleine Gruppe überquerte den Burghof Richtung Palas, der sich in der Mitte des Felsplateaus befand, während immer wieder Leute vor Dietrich niederknieten und ihn willkommen hießen.
    Auf etlichen Gesichtern stand unübersehbar die Frage, was aus all den Männern geworden war, die mit ihm ins Heilige Land gezogen waren. Doch diese Frage würde er erst nachher beantworten, vor allen in der Halle.
    »Lebt Ihr hier unter Euerm wahren Namen?«, wandte sich Dietrich
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