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Der Tote am Steinkreuz

Der Tote am Steinkreuz

Titel: Der Tote am Steinkreuz
Autoren: Peter Tremayne
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Steingebäude. Fidelma wußte, daß nach dem Gesetz jedes Gasthaus oder jede Herberge, bruden wurden sie genannt, sich durch eine die ganze Nacht brennende Laterne kenntlich machen mußte.
    Sie zügelten die Pferde. Fidelma entzifferte die in das Holzbrett unter der Laterne in lateinischen Buchstaben eingeritzte Inschrift: Bruden na Réaltaí, die Herberge der Sterne. Fidelma sah zum Himmel auf, der nun nicht mehr vom Dach der Zweige verdeckt wurde, und erblickte die Myriaden funkelnder silberner Lichter. Die Herberge führte einen zutreffenden Namen.
    Sie hatten kaum angehalten, als ein älterer Mann die Tür der Herberge aufriß und zur Begrüßung auf sie zueilte.
    »Seid willkommen, Reisende«, rief er mit ziemlich hoher Stimme. »Geht hinein, ich kümmere mich um eure Pferde. Geht rein, denn die Nacht ist kalt.«
    Die Herberge schien leer. Ein helles Holzfeuer loderte im Kamin an der einen Wand. In einem großen Kessel über der Flamme brodelte es, und ein aromatischer Duft erfüllte den ganzen Raum. Es war warm und gemütlich. Laternen brannten, und ihr Licht spiegelte sich in der polierten Eichen- und Rottannentäfelung.
    Fidelmas Blick blieb an einem Tisch an der Seite des Zimmers hängen, auf dem verschiedene Gesteinsbrocken lagen. Stirnrunzelnd beugte sie sich vor und betrachtete sie aus der Nähe, dann nahm sie ein Stück in die Hand, es war ziemlich schwer. Die Steine waren poliert und anscheinend wie Schmuckstücke angeordnet, um dem Raum Atmosphäre zu verleihen.
    Sie schüttelte leicht den Kopf und ging zu einem großen Tisch nahe dem Feuer, setzte sich aber nicht. Nach Stunden im Sattel war es eine Erleichterung, eine Weile stehen zu können.
    Archú trat zu ihr.
    »Es tut mir leid, Schwester. Ich hätte es schon vorher sagen sollen, weder Scoth noch ich haben das Geld für den Wirt. Wir gehen hinaus und übernachten draußen. Das hatten wir ohnehin vor. Die Nacht ist trocken und auch nicht so kalt, wie der Wirt sagt«, fügte er hinzu.
    Fidelma schüttelte den Kopf.
    »Wo du doch nun ein ocáire bist!« tadelte sie ihn sanft. »Du bist reich genug, nachdem du deinen Anspruch beim Gericht durchgesetzt hast. Es wäre kleinlich von mir, wenn ich dir nicht das Geld für Essen und Unterkunft vorschießen würde.«
    »Aber …«, protestierte Archú.
    »Kein Wort mehr«, unterbrach ihn Fidelma fest. »Ein Bett ist bequemer als der feuchte Erdboden, und diese köchelnde Brühe dort verbreitet einen wundervoll einladenden Duft.«
    Sie blickte sich neugierig in dem leeren Gastraum um.
    »Anscheinend sind wir heute abend die einzigen Reisenden auf diesem Weg«, bemerkte Eadulf, der sich in einem Holzsessel nahe dem Feuer räkelte.
    »Der Weg wird nicht häufig begangen«, erklärte Archú. »Es ist der einzige Weg, der in das Land Araglin führt.«
    Fidelma war sofort interessiert.
    »Wenn das so ist und diese Herberge die einzige an diesem Weg, dann ist es doch seltsam, daß wir deinen Vetter Muadnat hier nicht antreffen.«
    »Na, Gott sei Dank dafür«, murmelte Scoth und setzte sich an den Tisch.
    »Jedenfalls haben er und sein Begleiter …«
    »Das war Agdae, sein Rinderhirt und Neffe«, ergänzte Scoth.
    »Haben er und Agdae«, fuhr Fidelma fort, »Lios Mhór vor uns verlassen, und sie haben doch sicher diesen Weg eingeschlagen, wenn es der einzige nach Araglin ist.«
    »Warum machen wir uns Gedanken über Muadnat?« gähnte Eadulf und schaute sehnsüchtig nach der Brühe.
    »Ich mag keine ungelösten Fragen«, erklärte Fidelma verärgert.
    Die Tür ging auf, und der Wirt trat ein. Im Licht des Zimmers sah man, daß er ein volles, freundliches Gesicht und graues Haar hatte. Sein angenehmes Wesen paßte gut zu seinem Beruf.
    Er schaute die Gäste lächelnd an.
    »Seid nochmals willkommen. Ich habe eure Pferde in den Stall gebracht und versorgt. Ich heiße Bressal und stehe euch ganz zur Verfügung. Mein Haus gehört euch.«
    »Wir brauchen Betten für die Nacht«, verkündete Fidelma.
    »Gewiß, Schwester.«
    »Wir brauchen auch Essen«, fügte Eadulf rasch hinzu und blickte wieder verlangend zum Kessel hinüber.
    »Natürlich, und dazu sicherlich guten Met, um euren Durst zu löschen«, stimmte der Gastwirt eifrig zu. »Mein Met gilt als der beste in diesen Bergen.«
    »Ausgezeichnet«, meinte Eadulf. »Du kannst schon auftun …«
    »Wir essen, nachdem wir uns vom Staub der Reise befreit haben«, unterbrach ihn Fidelma.
    Eadulf kannte die irische Gewohnheit, jeden Abend vor der Hauptmahlzeit zu baden.
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