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Der tolle Nick

Der tolle Nick

Titel: Der tolle Nick
Autoren: Georgette Heyer
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uns in Abenteuer und entkommen um Haaresbreite – wie, grenzt immer ans Wunderbare!«
    Er ging hinunter, um das Gepäck zu holen, das Pferd in den Stall zu bringen und füttern zu lassen und um ein Abendbrot für seine Herrin zu bestellen. Es wurde auf ihr Zimmer gebracht, und ein zweites Gedeck wurde bis zur Ankunft Beauvallets auf dem Tisch belassen. Der Wirt zweifelte in der Zwischenzeit kaum mehr daran, daß er vornehme Gäste zu betreuen hatte. Über ihren geheimnisvollen Auftrag war er sich nicht im klaren. In Anbetracht der unerklärlichen Abwesenheit des Herrn dachte er an eine Entführung. Es war vor allem das Benehmen Joshuas, das ihn vom hohen Stand der Dame, die er bediente, überzeugte. Nur der Diener eines wahren Edelmannes würde sich so verhalten, dachte der Wirt. Ein kalter Kapaun sollte für die Ankunft des Herrn vorbereitet werden. Ob er wohl keinen besseren Wein hätte als dieses armselige Gesöff? Ab in den Keller mit ihm, und eine Flasche vom besten Wein soll er heraufbringen. Und war das denn alles, was er bieten konnte? Sollte seine Herrin wirklich nur vor einem schäbigen Stück Zunge und einem Stück Geflügel sitzen? Schande über ihn! Der Wirt sollte gefälligst lernen, daß man mit einer Dame vom Rang seiner Herrin nicht so umgehen konnte!
    Joshua bediente Dominica selbst und zeigte eine gewisse Strenge, als sie gar nichts essen wollte. Sie sah ihn mit großen, traurigen Augen an. »Er kommt nicht«, sagte sie.
    »Geduld, Señorita, Geduld, er kann ja nicht fliegen«, beschwichtigte er sie. »Wenn er davongeritten ist, so doch nur, um die Soldaten des Königs auf die falsche Spur zu locken. Es wäre sehr schlecht für uns, sie auf den Fersen zu haben, denn Ihr könnt unmöglich so rasch reiten, wie es in diesem Fall notwendig wäre!«
    »Ich kann sogar sehr gut reiten, wenn man mich läßt«, widersprach Dominica schwach.
    Die Zeit verging. Die letzten Nachtschwärmer verließen die Taverne und gingen nach Hause, die letzten Kerzen wurden ausgeblasen; im Gasthof wurde es ruhig. Joshua hatte angeordnet, daß für seinen Herrn ein Zimmer reserviert werde, und ließ ein Feuer im Kamin entzünden. Er wußte, daß das friedliche Knacken und Knistern der Holzscheite eine beruhigendere Wirkung haben würde als all seine Worte.
    Dominica saß am Feuer und versuchte, den Mut nicht zu verlieren. Von Zeit zu Zeit blickte sie Joshua ängstlich an. Sie wollte nichts davon hören, zu Bett zu gehen, sosehr Joshua sie auch bat. Er könne grob mit ihr umgehen und ihr in den meisten Dingen seinen Willen aufzwingen, aber er könne wirklich nicht von ihr verlangen, daß sie zu Bett ginge, bevor sie Sir Nicholas in Sicherheit wußte.
    »Señorita, Ihr habt einen langen Tag vor Euch und tätet gut daran, wenigstens ein wenig zu schlafen.«
    »Das werde ich nicht tun!« sagte sie und faßte wieder Mut.
    Es war beinahe Mitternacht, als sie einen Reiter herannahen hörten.
    Joshua hob triumphierend die Hand und plusterte sich auf. »Nun, Señorita, hört Ihr? Was habe ich gesagt? Vertraut Beauvallet!« Er ging ans Fenster und stieß es auf.
    Dominica war aufgesprungen und hatte die Hände ineinanderverkrampft. »Es muß ja nicht sein, es könnte ein Soldat sein, der mich sucht. Ich kann mir nicht vorstellen, daß –«
    Unter dem Fenster wurde ein Pferd angehalten. »He, hallo!« ertönte Beauvallets Stimme. Er blickte hinauf und entdeckte Joshua, der bereits aus dem Fenster zu stürzen drohte.
    »Um Himmels willen, was machst du denn da, Joshua? Komm sofort herunter und laß mich ins Haus!«
    Dominica sank in ihren Sessel zurück, sprachlos vor Erleichterung. Joshua ging zur Tür. »Ja, ja, so wie immer«, murmelte er vor sich hin. »Kurz und rücksichtslos. Ohne daran zu denken, wer ihn hören könnte. Der reine Übermut!«
    Er ging hinaus, und Dominica vernahm, wie er die Treppe hinunterlief und den Riegel öffnete. Dem schlaftrunkenen Wirt bedeutete er, daß alles in Ordnung sei. Augenblicke danach waren leichte Schritte auf der Treppe zu hören, die Tür wurde aufgestoßen, und Dominica lag in Beauvallets Armen.

25
    Am folgenden Morgen erhoben sie sich beim ersten Hahnenschrei, und nachdem sie gefrühstückt und frische Pferde besorgt hatten, machten sie sich auf den Weg nach Norden.
    Dominica fühlte sich wie im Traum; sie war vom raschen Verlauf der Dinge ganz benommen. Vom Klopfen Joshuas geweckt, glaubte sie im ersten Augenblick, die wilde Jagd des vergangenen Tages nur geträumt zu haben. Aber die
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