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Der Talisman (German Edition)

Der Talisman (German Edition)

Titel: Der Talisman (German Edition)
Autoren: Elisabeth von Bismarck
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erkennen konnte.
    Es war schon ziemlich spät, als Yasha das Kloster erreichte. Voller Vorfreude klopfte er an das große hölzerne Tor. Ein Mönch mit einer Augenklappe öffnete und bat Yasha einzutreten. Der Blick des Mannes streifte den steinernen Schmetterling, angeekelt verzog sich sein hageres Gesicht. Für den Bruchteil einer Sekunde fühlte Yasha einen eisigen Hauch, aber bevor er diesem Gefühl hinterherspüren konnte, kam Leben in den Mönch. Mit freundlichem Lächeln forderte er, Yasha solle ihm folgen. »Komm, mein Junge, du bist sicher müde und hungrig! Ich zeige dir dein Zimmer. Sicher möchtest du dich vor dem Essen frisch machen!«, lockte er und führte Yasha in den Aschram. Leise klapperten ihre Sandalen über den makellos sauberen Marmorboden. Eine Gruppe von Männern kam ihnen plaudernd entgegen, dann war der lange Säulengang, der zu den Gästeräumen führte, wieder menschenleer. Neben dem Gang befand sich ein schöner, grüner Innenhof mit einem langgezogenen Wasserbecken.
    Plötzlich blieb
    der Mönch
    abrupt stehen, drehte sich um und packte Yasha grob am Ärmel. Entsetzt starrte der Junge in ein böse funkelndes blaues Auge. Batsch – der Einäugige schlug Yasha so heftig ins Gesicht, dass er wimmernd zu Boden fiel. »Schwindibus-Pulver! Es soll an dir kleben für lange Zeit!«, knurrte Olav Zürban. »Niemand mag dich, weit und breit!« Das magische Pulver rieselte auf Yasha herab. Panisch rappelte er sich auf und versuchte zu fliehen. Aber der falsche Mönch packte ihn am Kragen und jagte Yasha schimpfend und mit Fußtritten bis vor den Aschram.
    Zufrieden warf der Schwarzmagier das schwere Tor hinter Yasha zu. Nun brauchte er nur noch abwarten, bis jemand Yasha den Talisman stehlen würde. Dann wäre der Junge ihm schutzlos ausgeliefert! Den Gedanken, dass Yasha durch eine gute Tat den Schwindibus-Zauber aufheben konnte, verdrängte Olav Zürban schnell.
    Schlotternd vor Schreck stand Yasha wieder auf der Straße. Verzweifelt zog er seine Kleider aus und versuchte, den feinen, grauen Staub abzuschütteln. Aber er fürchtete nicht zu Unrecht, dass ihm das nicht helfen würde. Verzweifelt fasste er seinen Talisman an und bat: »So hilf mir doch, bitte!« Aber der Talisman zeigte keine Reaktion. War das schon die Wirkung des Schwindibus-Pulvers?
    Es blieb Yasha nichts anderes übrig als weiterzuziehen. Aber überall, wo er auftauchte und flüsternd nach Kapilavastu fragte, schlug und beschimpfte man ihn, und man jagte ihn davon. In einer kleinen Stadt wurde Yasha verhaftet und ins Gefängnis gebracht. Der Junge war entsetzt, als man ihn in eine feuchte Zelle schob. Scheppernd knallte die Tür hinter ihm ins Schloss und es wurde völlig dunkel. Yasha tastete nach der Wand. Sie fühlte sich eklig an. Langsam setzte er sich auf den Boden. Unter seinen Händen fühlte er eine dünne Schicht Stroh. Es roch faulig. Die Zeit schien still zu stehen. Da hörte er Schritte vor seiner Zelle.
    Der Gefängniswärter war
    mit zwei Kollegen
    zurückgekommen. Die grobschlächtigen Männer durchsuchten Yasha. Als sie ihm die Jacke auszogen, klirrten die eingenähten Goldstücke leise. Neugierig tastete der Wächter den Saum der Jacke ab und grinste triumphierend. Ein schneller Schnitt und die Münzen rollten über den Boden. Gierig sammelten die Männer sie ein. Als einer der Wächter nach dem Talisman griff, wurde Yasha vor Angst übel. Aber der Mann musterte den Glücksbringer nur kurz. Dann lies er ihn verächtlich fallen. Einen Schmetterling aus Stein, etwas so wertloses konnte er nicht gebrauchen. Höhnisch lachend verließen die Wärter die Zelle. Yasha war wieder allein. Weinend umklammerte er den Talisman. »Oh bitte, bitte hilf mir! Tu doch etwas! Ich wünsche, ich wünsche, ich wünsche hier heraus zu kommen!
    Bitte leuchte wenigstens ein ganz kleines bisschen. Es ist so dunkel hier!«, schluchzte er verzweifelt. Doch der Talisman reagierte nicht. Yasha verlor das Gefühl für die Zeit. Manchmal öffnete sich eine Klappe in der Tür, Licht fiel in die Zelle und jemand warf etwas Brot auf den Boden. Dann konnte er sie sehen, die widerlichen, fetten Ratten, die sich gierig auf die Brotkrumen stürzten und mit seinem Essen in ihren Löchern verschwanden. Hilflos schlug und trat er in der Dunkelheit nach ihnen. Eines Tages schleppten die Wachen Yasha aus seiner Zelle und stießen ihn hinaus auf die Straße. Yasha blinzelte, seine Augen mussten sich erst wieder ans Tageslicht gewöhnen. Er war
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