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Der Spinnenkrieg

Der Spinnenkrieg

Titel: Der Spinnenkrieg
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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das Gefühl hatte, daß irgend etwas fehlte. Verrückt. Charity schüttelte die verwirrenden Gedanken ab, hob die Hand ans Gesicht und fuhr sich mit den Fingerknöcheln über die Augen. Grelle Lichtpunkte blitzten auf ihrer Netzhaut, und im ersten Moment hatte sie Angst, blind zu sein. Intensiv genug war das Lohen der explodierenden Bombe gewesen. Aber dann begann sie Schemen in den wirbelnden Schleiern von ihrem Blick zu erkennen – und eine Szene, die einfach zu bizarr war, um eine Todesphantasie oder ein Fiebertraum zu sein. Sie sah Gurk, der sich mit einem gellenden Schrei auf Kias stürzte. Der Anblick war geradezu lächerlich: Die Ameise war fast dreimal so groß wie der Zwerg – und trotzdem war Gurks Anprall so ungestüm, daß Kias einen halben Schritt zurücktaumelte und fast in die Knie gebrochen wäre. Gurk krallte sich an ihm fest, schrie und kreischte ununterbrochen und hämmerte mit beiden Fäusten auf den gepanzerten Schädel der riesigen Kreatur ein. Es dauerte Sekunden, bis Kias überhaupt auf den Gedanken kam, sich zu wehren. Natürlich war der Kampf dann schnell zu Ende. Der Moroni versetzte Gurk einen Hieb, der ausgereicht hätte, ihm den Kopf von den Schultern zu reißen, hätte er mit ganzer Kraft zugeschlagen. Aber auch so wurde der Zwerg von ihm quer durch den Steuerraum des Gleiters bis vor die gegenüberliegende Wand geschleudert, wo er zusammensackte. Mühsam raffte er sich mit der Kraft eines Tobsüchtigen wieder auf, sprang in die Höhe und versuchte, sich mit weit ausgebreiteten Armen ein zweites Mal auf Kias zu stürzen. Skudder vertrat ihm den Weg und streckte die Hand aus, um ihn zurückzuhalten, aber Gurk schlug seinen Arm einfach zur Seite und versetzte ihm einen Stoß, der den Riesen mit einem verblüfften Laut taumeln und um sein Gleichgewicht kämpfen ließ. Im nächsten Augenblick prallte er ein zweites Mal gegen den Moroni und brachte ihn endgültig aus der Balance. Kias wankte. Mit drei seiner vier Hände klammerte er sich am Kontrollpult des Gleiters fest, mit der verbliebenen versuchte er, den tobenden Zwerg am Schlafittchen zu packen und auf Distanz zu halten. Gurk entrang sich seinem Griff, prallte zum dritten Mal gegen das Insektenwesen und riß es endgültig von den Füßen. Kias kippte rücklings auf das Steuerpult. Seine wild um sich greifenden Hände fuhren mit einem scharrenden Laut über das Metall, berührten Schalter und Hebel und hinterließen millimetertiefe Kratzer im Metall. Der Gleiter machte einen spürbaren Ruck und begann zu schlingern. Irgendwo unter ihren Füßen heulte eine überlastete Maschine auf. Charity überwand endlich ihre Überraschung, war mit zwei, drei raschen Schritten bei Kias und Gurk und versuchte, den tobenden Zwerg von der Brust des Moroni herunterzuzerren. Doch Gurk trat mit der Kraft eines Wahnsinnigen um sich. Er schleuderte auch sie zurück und fuhr fort, Brust und Gesicht des Moroni mit Faustschlägen und Tritten zu bearbeiten. Charity tauschte einen raschen, völlig verwirrten Blick mit Skudder, griff zum zweiten Mal nach Gurk und stürzte hilflos nach hinten, als sich der Gleiter plötzlich auf die Seite legte und mit heulenden Maschinen durchsackte. Der vor Momenten noch ebene Boden verwandelte sich in eine spiegelblank polierte Rutschbahn. Sie schlitterte auf die Wand neben der Schleuse zu und riß instinktiv die Arme vor das Gesicht, aber der erwartete Aufprall blieb aus, denn der Gleiter fand im letzten Moment in die Waagerechte zurück. Hastig wälzte sie sich herum und versuchte auf die Beine zu kommen, schaffte es aber erst beim dritten oder vierten Versuch, denn der Gleiter schwankte noch immer. Das Deck unter ihren Füßen hob und senkte sich wie ein kleines Schiff, das in einen Taifun geraten war. Ein furchtbares Dröhnen und Kreischen marterte ihre Ohren, und plötzlich war der Steuerraum von gleißendem, unvorstellbar intensivem Licht erfüllt, einem grellweißen Lohen, das der Lichterglut der explodierenden Superbombe kaum nachstand. Charity schrie vor Schrecken und Schmerz auf, riß die Hände vor die Augen und versuchte das Gesicht von der Quelle des peinigenden Lichtscheines wegzudrehen, aber es gelang ihr nicht – das Licht kam von überallher zugleich, als befänden sie sich in einem gläsernen Schiff im Herzen einer Sonne. Den Bruchteil einer Sekunde, bevor es sie endgültig blenden konnte, erlosch es. Zurück blieb ein allmählich verebbender Schmerz und ein Gewitter greller, grüner und
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