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Der Spieler

Der Spieler

Titel: Der Spieler
Autoren: Fjodor M. Dostojewskij
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Dantes Hölle evoziert und uns die Sträflinge in ihrem überheizten gemeinsamen Baderaum vorführt. Dort vermerkt der Erzähler, dem ja alles neu ist: »Als die Tür zum eigentlichen Baderaum aufgemacht wurde, glaubte ich, dass wir in die Hölle kämen« (Teil I, Kap.  9 ).
    Die Ausführung des Plans
    Nimmt man Dostojewskij beim Wort, dann befindet sich Alexej Iwanowitsch, der Titelheld des
Spielers
, als junger und mittelloser russischer Adliger mit seiner Spielsucht in der Hölle. All seine Lebensenergie richtet sich aufs Roulette. Hier wähnt er, seine Freiheit zu finden, die er inmitten seiner Alltagswelt als Russe im Ausland nirgends finden kann. Nur im Spielfieber inmitten der Welt des Spielsaals fühlt er sich der Misere seiner Gegenwart enthoben und ist disponiert für die eigentümliche Poesie dieser Welt. Wörtlich heißt es: »Mit welcher Begehrlichkeit starre ich den Spieltisch an, der mit Louisdors, Friedrichsdors und Talern übersät ist, auf die kleinen Geldsäulen, die unter den Schaufeln der Croupiers in glühende Häufchen zerfallen, oder auf die bis zu einem Arschin langen Silberrollen, die sich um das Rad reihen« (Kap.  XVII ). Das ist Poesie. Und doch kommt dem Erzähler während der Niederschrift der Gedanke: »Habe ich etwa damals den Verstand verloren und die ganze Zeit irgendwo in einem Irrenhaus gesessen, in dem ich vielleicht immer noch sitze – so dass mir all das nur so
schien
und auch jetzt immer noch nur so
scheint
 …« (Kap.  XIII ). Das heißt: Roulettenburg hat den Spieler in die Selbstentfremdung getrieben; er zweifelt an der Realität seiner Erlebnisse.
    Als der
Spieler
1866 erscheint, ist Dostojewskij 45  Jahre alt. Seine erste Reise ins Ausland, die ihn auch nach England führte, fand 1862 statt. Eine weitere erfolgte 1863 . Dostojewskij sieht sich überall bestärkt in seiner Überzeugung, dass Russland vom Westen nichts lernen kann. Atheismus und materieller Egoismus sind ihm die Realitäten, von denen die Russen, die aus verschiedenen Gründen in den Westen gehen, infiziert werden. Die Russen in Baden-Baden werden ihm zum lebendigen Musterbeispiel für diese Entwicklung. Hier findet er das aktuelle und historisch exemplarische Milieu für seinen
Spieler
. Die Sorge um die Zukunft Russlands bestimmt auch die Konzeption dieses Romans. Die Erzählung
Aufzeichnungen aus dem Kellerloch
von 1864 hielt diese Entwicklung innerhalb Russlands fest, ohne einen Lichtblick zu benennen.
Verbrechen und Strafe
liegt erst 1867 komplett vor und präsentiert mit der frommen Sonja Marmeladowa zum ersten Mal eine Gestalt, die Dostojewskijs missionarisches Christentum vertritt. Alexej Iwanowitsch, der Spieler, steht genau zwischen dem Antihelden aus dem Kellerloch, der zum Handeln unfähig ist, und Raskolnikow, der für einen Raubmord aus Überzeugung für acht Jahre ins sibirische Zuchthaus muss. Der Spieler verarbeitet sein Unbehagen in der Kultur mit seiner Spielsucht, ohne sich die Gründe für dieses Unbehagen klarzumachen.
    Und so ist dieser Roman das Protokoll einer Krisensituation, die nicht aufgelöst wird. »Morgen, morgen wird alles ein Ende haben!« Mit diesem nur scheinbar offenen Schluss endet der Roman. Der Leser ist es, der abzulesen hat, was Dostojewskij durch Charaktere und Handlung zum Ausdruck kommen lässt.
    Auf der allegorischen Ebene wird die Situation dieses Ich-Erzählers zum Exempel für die Situation der jungen Generation in Russland überhaupt. Sie findet nicht zu einem erlösenden Handeln, weil dies für Dostojewskij nur durch eine christliche Selbstfindung im »lebendigen Leben« möglich ist. In Roulettenburg aber hat seine Titelgestalt nur die Repräsentanten Frankreichs und Deutschlands vor Augen (von den Exil-Polen ganz zu schweigen) sowie die von deren Erwerbsstreben infizierten Russen. Stil hat allein Mister Astley, der Engländer. Von Christentum keine Spur. Nur die Großmutter will als echte Russin, wenn sie nach Russland zurückgekehrt ist, die Holzkirche auf ihrem Gut bei Moskau in eine Kirche aus Stein umbauen lassen, ein schon fünf Jahre altes Gelübte, nun als Buße für ihren kurzen und so verlustreichen Casino-Besuch in Roulettenburg. Ihr schlechtes Französisch ist innerhalb der ideologischen Konnotation des Romans ein positives Merkmal. Sie verachtet auch instinktiv den deutschen Baron Wurmerhelm, von dem ihr Alexej empört erzählt.
    Alexej, Polina und Blanche
    Literaturdetektive hatten es nicht schwer, hinter der Beziehung zwischen dem
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