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Der Spieler (German Edition)

Der Spieler (German Edition)

Titel: Der Spieler (German Edition)
Autoren: Paolo Pacigalupi
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einen Seufzer aus. »Nein, das ist kein Skandal. Das ist nur eine traurige Geschichte. Niemand liest eine deprimierende Geschichte, zumindest nicht mehr als einmal. Und niemand abonniert einen deprimierenden Feed.«
    »Tausend Menschen schon.«
    »Tausend Menschen.« Sie lacht. »Wir sind nicht das Weblog irgendeiner laotischen Gemeinde, wir sind Milestone, und wir kämpfen mit denen um die Klicks.« Sie deutet nach draußen, auf den Mahlstrom. »Deine Geschichten halten sich nicht länger als einen halben Tag; außer ein paar Sonderlingen erwähnt niemand sie in den sozialen Netzen.« Sie schüttelt den Kopf. »Himmel, ich habe keinen Schimmer, wer überhaupt deine Zielgruppe ist. Hundertjährige Hippies? Ein paar Bürokraten aus dem öffentlichen Dienst? Die Zahlen rechtfertigen einfach nicht all die Zeit, die du auf deine Geschichten verwendest.«
    »Welche Geschichten möchtest du denn gerne von mir haben?«
    »Ich weiß nicht. Irgendwas. Bewertungen neuer Produkte. Nachrichten mit Nutzwert. Einfach nicht noch mehr von diesem ›Wir bedauern, Ihnen schlechte Neuigkeiten zu überbringen‹-Zeug. Wenn es ohnehin nichts gibt, was ein Leser wegen dem verdammten Schmetterling tun kann, dann ist es auch sinnlos, darüber zu schreiben. Das deprimiert die Leute nur und bringt dir schlechte Zahlen ein.«
    »Haben wir nicht durch Marty schon gute Zahlen?«
    Sie lacht. »Du erinnerst mich an meine Mutter. Schau, ich möchte mich ungern von dir trennen, aber wenn du nicht einen täglichen Schnitt von wenigstens fünfzigtausend hinbekommst, dann hab ich keine andere Wahl. Der Schnitt unserer Gruppe ist im Vergleich zu anderen Teams ziemlich im Keller, und in den anstehenden Beurteilungen werden wir nicht gut aussehen. Ich muss mit Nguyen von Technik und Spielzeug konkurrieren und mit Penn von Yoga und Spiritualität, und niemand will lesen, wie die Welt vor die Hunde geht. Sieh zu, dass du ein paar Geschichten findest, die die Menschen auch lesen möchten.«
    Sie sagt noch ein paar andere Dinge, Worte, die mich vermutlich inspirieren und anspornen sollen, und dann stehe ich wieder draußen vor ihrer Tür und blicke auf den Mahlstrom.
    Es stimmt, meine Geschichten haben noch nie viele Leser gehabt. So ein Journalist bin ich einfach nicht. Ich bin ernsthaft. Ich bin langsam. Ich bewege mich nicht mit der Geschwindigkeit, die diese Amerikaner anscheinend so lieben. Finde eine Geschichte, die die Menschen auch lesen wollen. Ich kann ein paar Folgegeschichten für Mackley schreiben, über Double DP, vielleicht einige zusätzliche Elemente zum Haupttext liefern, doch irgendwie befürchte ich, dass die Leser merken werden, dass ich mich nur verstelle.
    Marty sieht, wie ich da vor Janice’ Büro stehe. Er kommt zu mir herüber.
    »Macht sie dir die Hölle heiß wegen deiner Zahlen?«
    »Ich schreibe nicht die richtige Art von Geschichten.«
    »Ja. Du bist ein Idealist.«
    Wir stehen beide einen Augenblick lang da und denken über das Wesen des Idealismus nach. Auch wenn er sehr amerikanisch ist, mag ich ihn trotzdem, denn er hat ein Gespür für die Herzen der Menschen. Die Leute vertrauen ihm. Sogar Double DP vertraut ihm, obwohl Marty seinen Namen über die vorderste Nachrichtenseite jedes Tablets geschmiert hat. Marty hat ein gutes Herz. Jai Dee. Ich mag ihn. Ich glaube, dass er wahrhaftig ist.
    »Sieh mal, Ong«, sagt er. »Ich mag deine Sachen.« Er legt mir den Arm um die Schulter. Für einen Augenblick befürchte ich schon, dass er mir vor lauter Zuneigung über den Kopf streichen wird, und muss mich zusammenreißen, doch er verfügt über genügend Feingefühl, um seine Hand wieder zurückzuziehen. »Sieh mal, Ong. Wir beide wissen, dass diese Art von Arbeit dir nicht liegt. Wir sind hier im Nachrichtengeschäft, und dafür bist du einfach nicht gemacht.«
    »In meinem Visum steht, dass ich meine Stellung behalten muss.«
    »Ja. Das hat Janice wirklich super hingekriegt. Schau.« Er hält kurz inne. »Ich habe diese Sache mit Double DP unten in Mexiko am Laufen. Aber ich habe auch noch eine andere Story in der Mache. Was Exklusives. Ich habe ohnehin schon meinen Bonus. Und es dürfte deinen Schnitt nach oben bringen.«
    »Ich glaube nicht, dass ich Textkästen zu Double DP schreiben kann.«
    Er grinst. »Darum geht es nicht. Und es ist kein Almosen; eigentlich bist du die perfekte Besetzung dafür.«
    »Geht es um staatliche Misswirtschaft?«
    Er lacht, scheint aber eigentlich nicht mich damit zu meinen. »Nein.« Er hält
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