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Der Sommerfaenger

Titel: Der Sommerfaenger
Autoren: Monika Feth
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Faszination, die einen bedrohlichen Schatten auf Jette und die andern warf.
    Der Anblick ihres Hauses ließ Imke vor Glück seufzen. Als sie am Nachmittag aufgebrochen waren, hatte sie nicht bemerkt, dass einer von ihnen aus Versehen die Außenlampe angeknipst hatte, die die schöne alte Mühle jetzt, im Dunkeln, in ein geheimnisvolles Licht tauchte.
    Imke lenkte den Wagen über den unter den Rädern leise knirschenden Kies der Auffahrt und stellte ihn in der Scheune ab, die sie als Garage nutzten. Als sie ausstiegen, wurden sie von Edgar und Molly empfangen, die maunzend um ihre Beine strichen und nach Futter verlangten.
    In der Haustür drehte Imke sich noch einmal um. Es war zu dunkel, um den Bussard zu erkennen, aber sie fühlte, dass er in der Nähe war. Das beruhigte sie.
    Tilo hatte ihr erzählt, der Raubvogel, der ihr in all den Jahren hier draußen so viel bedeutet hatte, sei getötet worden. Er hielt den Bussard, der das Revier rund um die Mühle seither für sich beanspruchte, für einen Nachfolger des ermordeten Tiers.
    Doch das stimmte nicht. Imke hätte den Unterschied bemerkt.
    »Gute Nacht«, flüsterte sie in die Nacht hinaus.
    Dann schloss sie leise die Tür. Tilo musste nicht unbedingt erfahren, dass sie seinen Wahrnehmungen nicht traute. Er sollte auch nicht hören, dass sie zu dem Bussard sprach.
    Es gab Dinge in ihrem Zusammenleben, die gingen nur sie selbst etwas an.
    *
    Endlich konnte er etwas tun. Die innere Starre abstreifen und wieder lebendig sein.
    Planen.
    Handeln.
    Es war herrlich, den lauen Nachtwind auf dem Gesicht zu spüren. Der Laptop lief beinah lautlos. Er gab nur ein feines, kaum wahrnehmbares Geräusch von sich, ein Wispern wie von einer inneren Stimme. Der Monitor schimmerte bläulich in der Finsternis.
    Der Wein in dem dickbauchigen Glas sah aus wie Blut, purpurn und schwer. Er rann warm durch die Kehle und breitete sich wohlig im Magen aus. Der Rauch der Zigarette kräuselte sich im gespenstischen Schein des Monitors und zerfächerte im nächsten Moment zu dünnen Schleiern.
    Fasziniert betrachtete er einen Nachtfalter, der das Windlicht umflatterte. Der dunkle, Unheil verkündende Bruder des Schmetterlings. Er trug den Tod in sich, längst bevor er der Kerzenflamme zu nahe kam und im heißen Wachs versank.
    Jeder andere hätte sein Sterben als böses Omen betrachtet.
    »Jeder andere«, flüsterte er. »Aber nicht ich.«
    Hinter sich spürte er das große, schweigsame Haus. Er spürte jeden einzelnen der nachtgefüllten Räume, jedes einzelne Möbelstück.
    Dies hier war sein Zuhause. Hierhin kehrte er immer wieder zurück. Und so sollte es auch bleiben. Immer wieder würde er den Schlüssel ins Schloss stecken, die Haustür aufstoßen und diesen tröstenden Teil seines Lebens betreten.
    Das Haus war seine Höhle. Es gewährte ihm Schutz und Sicherheit. Hinter diesen Mauern konnte er sich geben, wie er war, ohne dass die Meute sich auf ihn stürzte, sobald er ein Zeichen von Schwäche zeigte.
    Der betörende Duft des Oleanders stieg ihm in die Nase und erzeugte etwas, das einem Glücksgefühl ähnlich war.
    Keinem würde er erlauben, ihm das hier zu nehmen. Sein Heim. Seine Macht. Sein Leben. Er hatte viel zu lange vergeblich gekämpft, weil der wahre Gegner sich entzogen hatte. Das würde sich ändern.
    Er war im Begriff, sich zu verwandeln. Vom Gejagten in den Jäger.
    Irgendwo heulte ein Hund.
    Das passte.
    Er spürte das Lächeln auf seinem Gesicht wie eine zärtliche Berührung.
    *
    Merle trug den letzten Karton mit Dekokrimskrams über den Hof und stellte ihn im trüben Licht der Scheunenlampe zu den andern, die sich dort bereits stapelten. Die Scheune wurde als Garage und Abstellraum genutzt. Sie bewahrten hier ihre Fahrräder auf und alles, für das sich im Augenblick keine Verwendung fand.
    Die ganze Welt schlief, nur Merle war wach. Sie hatte Claudio nach Hause geschickt, obwohl er sich darauf eingestellt hatte, bei ihr zu übernachten. Wütend war er abgerauscht. Er verstand nicht, dass sie das manchmal brauchte. Allein zu sein und von niemandem gestört zu werden. Dann konnte sie die Gedanken treiben lassen und das Leben betrachten. Mit offenen Augen träumen.
    Verrückte Dinge tun. Oder sie bleiben lassen.
    Wo sie nun schon mal wach war, hatte sie überlegt, konnte sie auch gleich aufräumen. Es fiel ihr nicht schwer, Kopf und Hände mit unterschiedlichen Dingen zu beschäftigen, im Gegenteil. Das eine war gut für das andere.
    Heute Nacht waren ihre Gedanken
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