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Der Sohn des Verräters - 21

Der Sohn des Verräters - 21

Titel: Der Sohn des Verräters - 21
Autoren: Marion Zimmer-Bradley
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nützlichen Seiten offenbart; eine davon war die Fähigkeit, ihre Umgebung abzusuchen. Vielleicht war sie völlig grundlos so nervös. Es war ein schwieriges Jahr gewesen, mit einem Sommer, der so heiß gewesen war wie schon lange nicht. Die Bauern hatten sich wegen einer Dürre Sorgen gemacht, und die Waldbrandgefahr in den Bergen war sehr groß gewesen. Auch Störungen anderer Art hatte es gegeben – einige kleinere Unruhen auf den Märkten von Thendara und Berichte von einem Aufstand in Shainsa in den Trockenstädten. Aber schließlich war vom Westen Regen gekommen, die milden, an zwanzig Grad heranreichenden Temperaturen waren vergangen, und es waren keine größeren Brände ausgebrochen.
    Sie musste sich nun wirklich an die Arbeit machen! Mit dieser Verträumtheit vergeudete sie nur Zeit, und die war im Augenblick sehr kostbar. Marguerida blickte auf den Stapel Papiere vor sich. Es waren Personalbögen, bedeckt mit Noten und begleitenden Texten. Nach fast zwei Jahrzehnten des Zweifelns und Zögerns hatte sie schließlich ihrer großen, geheimen Leidenschaft nachgegeben und eine Oper geschrieben.
    Es hatte all ihren Mut und viel gutes Zureden von Ida gekostet, damit sie überhaupt anfing. Aber nachdem sie einmal begonnen hatte, konnte sie fast nicht mehr aufhören. Mikhail Hastur, ihr geliebter Gefährte und Ehemann seit nahezu sechzehn Jahren, hatte sich schon beschwert, dass ihre Tätigkeit als Komponistin ein größerer Rivale war, als es ein Mann aus Fleisch und Blut je sein könnte, und Marguerida wusste, er meinte es nur halb im Scherz.
    Das Komponieren an sich war ihr ziemlich leicht gefallen, aber die Zeit – Ruhe und Frieden – dafür zu finden, war schwierig gewesen. Als Ehefrau des designierten Erben von Regis Hastur und Mutter von drei Kindern hatte sie viele Pflichten. Etwas widerstrebend hatte Marguerida auch einen Teil der Haushaltsführung von Burg Comyn aus der Hand von Lady Linnea Storn-Lanart, der Gemahlin Regis’, übernommen. Sie hatte in den Jahren ihrer Ehe mit Mikhail Hastur vieles getan, was sie sich nicht hätte träumen lassen, als sie noch jung war und eine akademische Karriere anstrebte. An vorderster Stelle hierbei stand, dass sie unter Anleitung der Bewahrerin Istvana Ridenow gelernt hatte, wie sie mit ihren einzigartigen und potenziell gefährlichen Laran -Gaben umgehen musste. Ihre Freundin und Vertraute war gleich nach der Hochzeit von Neskaya nach Thendara gekommen, um sie und Mikhail mit auszubilden und zu unterrichten. Istvana war elf Jahre lang in der Stadt geblieben, und es waren wundervolle Jahre für Marguerida gewesen. Doch nun war Istvana wieder in ihrem eigenen Turm und folgte ihrer eigenen Bestimmung, und Marguerida fiel es immer noch schwer, sie nicht zu vermissen.
    Sie blickte kurz auf die vergangenen Jahre zurück und kam zu dem Schluss, dass sie deren Herausforderungen gar nicht so übel gemeistert hatte. Oft hatte sie in der einen Hand alte Lesetexte in Darkovers rundem Alphabet gehalten und mit der anderen ein Kind an ihrer Brust gewiegt. Sie hatte gelernt, Sitzungen des Rats der Comyn ohne ihre furchteinflößenden Wutausbrüche durchzuhalten, selbst in Gegenwart ihrer Schwiegermutter, Javanne Hastur, die ein dauerhafter Stachel in ihrem Fleisch blieb. Die Schattenmatrix, die in ihre linke Hand eingebrannt war, jenes Ding, das sie aus einem Turm der Oberwelt gerissen hatte, blieb ein gewisses Rätsel, aber sie hatte Wege gefunden, es zu beherrschen, sodass sie sich nicht mehr vor ihr fürchtete. Die Matrix überstieg nach wie vor das beträchtliche Wissen, das die Leroni Darkovers im Laufe der Jahrhunderte angehäuft hatten, ein Ding, das wirklich und unwirklich zugleich war. Marguerida konnte damit heilen, aber genauso gut töten, und beide Extreme in den Griff zu bekommen, war sehr schwer gewesen. Es waren anstrengende Jahre gewesen, aber sie hatte Dinge zu Wege gebracht, die sie sich nie hätte träumen lassen, und das verschaffte ihr ein tiefes Gefühl der Befriedigung.
    Während jener Jahre des Lernens und der Mutterschaft war ihr jedoch keine Zeit für die Musik geblieben, die einst ihr Leben bestimmt hatte und immer noch ihre beherrschende Leidenschaft war. Stattdessen hatte sie ihre beachtlichen Energien in weniger persönliche Aktivitäten gelenkt. Mit Hilfe des Gildenhauses von Thendara, dem Zentrum der Entsagenden in der Stadt, hatte sie eine kleine Druckerei und mehrere Schulen für die Kinder von Händlern und Handwerkern gegründet. Und sie
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